Athmosphärisch dichter Kriminalroman

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
elmidi Avatar

Von

„Der letzte Pilger“ ist ein gut 500 Seiten starkes Krimidebüt aus Norwegen und brachte dem Autor Gard Sveen die Auszeichnung als bester Krimi Skandinaviens.

Der Prolog präsentiert etwas unspektakulär und vorhersehbar den brutalen Mord an einem alten Mann, entdeckt von seiner Haushälterin. Danach stürzt man sofort in den Mai des Jahres 1945 und landet im Seelenleben eines Widerstandskämpfers, der nun die ersten verwirrenden Wochen der Friedenszeiten erlebt. Im Laufe des Buches nimmt uns dieser Handlungsstrang zurück in die Kriegszeiten ins Milieu der norwegischen Widerstandsbewegung.

Im Jahre 2003 ist Tommy Bergmann Kommissar im Polizeipräsidium Oslo. Da er frisch getrennt ist von seiner Freundin Hege, schiebt er über Pfingsten Dienst. Und so fällt die Meldung, dass vier Medizinstudenten in einem Wald beim Zelten auf drei alte Skelette gestoßen sind, ihm zu. Und auch der frische Mordfall aus dem Prolog beschäftigt das ganze Kommissariat, denn bei dem Mordopfer handelt es sich um Carl Oscar Krogh, der zu seinen aktiven Zeiten nicht nur ein hochrangiger Politiker, sondern davor auch ein bedeutendes Mitglied der Widerstandsbewegung in Norwegen war. Gibt es da einen Zusammenhang zwischen dem aktuellen Mord und den drei Skeletten? Führt die Suche nach dem Mörder und dem Mordmotiv tief in die Vergangenheit?

Gekonnt vereinigt Gard Sveen die beiden Handlungsstränge und Zeitebenen zu einem intelligenten und überaus spannenden Kriminalroman. Die dreißiger Jahre in Norwegen und die Widerstandbewegung machen einen großen Teil des Romans aus. Dieser Erzählstrang kommt als historischer Agententhriller daher, bei dem ich die Szenen beim Lesen fast in Schwarz-Weiß vor mir gesehen habe. Undercover-Aktionen, Einschleusen von Spioninnen in die innersten Nazi-Zirkel und Mord, aber auch eine tragische Liebesgeschichte und Verrat - diese Mischung verdichtet sich im Laufe des Buches zu einem spannungsgeladenen Finale, dessen Ende ich nicht vorhergesehen habe.

Auf der anderen Seite der Zeit versucht Tommy Bergmann, den Mordfall Carl Oscar Krogh aufzuklären und kommt über den Verdacht nicht hinweg, dass die drei alten Skelette damit zu tun haben. Er gräbt in Kroghs Vergangenheit, aber er stößt bei den noch lebenden Zeitzeugen auf eine seltsame Mauer des Schweigens. Es braucht eine Menge hartnäckiger und engagierter Ermittlungsarbeit, in die sich Tommy stürzt und die so manches Mal Rätsel aufgibt. Nichts passt so richtig zusammen, aber der Sumpf, so scheint es, wird immer tiefer.

Gard Sveen präsentiert keinen bluttriefenden Thriller, viel eher ist „Der letzte Pilger“ ein atmosphärisch dichter, gehaltvoller und kluger Kriminalroman, für den man auch ein bisschen Zeit mitbringen sollte. Und die lohnt sich – für mich gehört dieses Buch mit zu den besten Krimis, die ich lesen durfte!