Krimi meets LGBTQI+

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missmarie Avatar

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Ein:e exzentrische:r Privatermittler:in, das Who ist Who der Tel Aviver Sternchen und ein schmieriger PR-Agent - das ist der Stoff aus dem Yonatan Sagiv sein Debüt im deutschen Sprachraum feiert. Dabei gelingt es ihm, fluide Geschlechtsidentitäten zum new normal werden zu lassen.

Zum Inhalt:
Oded Hefer ist queere:r Privatermittler:in und lässt sich gerne mal von dem ein oder anderen attraktiven Mann von den Ermittlungen ablenken. Gleichzeitig genießt er:sie den gehobenen Lifestyle - denn bitte was geringeres als ein chices Loft und Einladungen zu High Society Partys hat moi (so sein:ihre Selbstbezeichnung) auch sonst verdient? Dumm nur, dass die bisherigen Ermittlungen nicht das nötige Kleingeld für diesen Lebensstil eingebracht haben und Odeds Loft eigentlich dem besten Freund gehört. Da kommt ihm der Auftrag eines PR-Agenten gerade Recht: Oded soll herausfinden, warum ein 15-jähriges, aufstrebendes Pop-Sternchen auf einmal gar keine Lust mehr auf das Singen hat. Als zur gleichen Zeit auch Odeds queere Freund:in verschwindet, sieht sich die:der Ermittler:in zwischen zwei Fällen hin- und hergerissen.

Meine Meinung:
Die besondere Stärke des Krimis liegt in seinem Umgang mit Queerness und LGBTQI+. Da nahezu alle Figuren aus diesem Umfeld stammen, wird es für den Leser schon nach wenigen Minuten selbstverständlich, dass die Figuren mitunter eine ganz andere Geschlechtsidentität besitzen, als das auf den ersten Blick scheinen mag. Zwar wird stellenweise auf den Gender-Diskurs durch einzelne Figuren Bezug genommen (was meiner Meinung nach nicht unbedingt nötig gewesen wäre, wer das Buch bis dahin gelesen hat, ist sensibilisiert), die meiste Zeit mutet Sagiv dem Leser diese "neue Normalität" aber einfach zu - und das halte ich für sehr gelungen.

Einen zweiten Pluspunkt kann Sagvi mit seiner Hauptfigur machen. Oded ist jemand, den man lieben oder hassen muss. Exzentrisch und von sich selbst überzeugt ist er:sie ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, anderen fehlende Sensibilität oder mangelndes Reflexionsvermögen vorzuwerfen. Dass sie:er zwei Sätze später selbst unreflektiert handelt, damit kokettiert Sagivs Detektiv:in schon fast. Die maßlose Selbstüberschätzung kann auf manche Leser durchaus nervig wirken - mich hat sie allerdings zum Schmunzeln gebracht. Denn an der Hauptfigur macht sich auf der Humor des Krimis fest.

Die Story an sich entspricht dem typischen Krimi-Genre. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt, stellenweise wurde es auch richtig spannend. Die Auflösung lässt sich zwar in Teilen bereits früh erahnen, dennoch blieb die Handlung bis zum Schluss interessant. Ohne zu viel zu verraten: Der Titel ist hier in mehrerlei Hinsicht gut gewählt.

Ein kleines Manko ist in meinen Augen die vollkommen unnötige Übersexualisierung des Krimis. Gut, darauf hätte man mit einem Blick auf das Cover bereits vor dem Lesen kommen können: Die Neonschrift und der Lippenstift deuten auf eine gewisse Nähe zur Prostitution hin. Die spielt im Roman selbst keine so große Rolle, wohl aber Odeds Sex- und Liebesleben. Manchmal hätte ich mir gewünscht, nicht jede Person erst einmal durch die Augen Odeds auf ihre körperliche Attraktivität hin abchecken zu müssen.