Provokant-skurrile Ermittlungen

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bobbi Avatar

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Der israelische Schriftsteller Yonatan Sagiv wirft das klassische Krimigenre in seinem humorvoll-skurrilen Roman „Der letzte Schrei“ gehörig durcheinander und lässt einen frech-frivolen queeren Ermittler tief in die bunte Szene und schrille Oberschicht von Tel Aviv eintauchen. Privatdetektiv Oded ‚Wühlmaus’ Chefer lässt sich in seiner geschlechtlichen Identität nicht festlegen, ist geschwätzig-provokant und lässt sich bei seinen urkomischen und doch zum Ende hin spannenden Ermittlungen gerne von gutaussehenden Männern ablenken. Nach außen wahrt er seinen Schein, wohnt zur Untermiete im schicken Penthouse eines Freundes, doch innerlich quälen ihn schmerzhafte Kindheitserlebnisse bezüglich seines Andersseins. Endlich will er Einzug in die Welt der High Society erhalten, egal wie.

Neu eingestellt und beauftragt wurde Oded, sich dem neuen aufstrebenden 15-jährigen Popsternchen Carine anzunehmen – sie rebelliert gegen ihr Elternhaus, schwänzt die Schule und macht einen verklärten Eindruck. Während Oded in diesen Kreisen ermittelt, verschwindet die junge Transfrau Gabriela. Während es ihn anfangs nicht groß berührt, stellt sich im Laufe des Romans heraus, dass die zwei Fälle zusammenhängen und Oded muss sich entscheiden – Ruhm in der High Society oder die Ehre in der lebendigen und gut vernetzten LGBTQI+-Szene wahren?

Sagiv hat ein Händchen für urkomische Szenen und schräge, politisch inkorrekte Gedanken des Ich-Erzählers Oded und beschreibt fabulierfreudig die queere Community Tel Avivs mit vielen szenischen Örtlichkeiten. Dabei lässt er viele lustige Bezüge zur Popkultur aufblitzen, während Oded immer tiefer und wilder in die verschiedenen düsteren Kreise abtaucht. Darüber hinaus ist der Protagonist vielschichtig gezeichnet, hat mit tiefen Wunden aus der Kindheit zu kämpfen und versucht diese Verletzlichkeit mit seinem vorlauten, vulgären Mundwerk zu übertünchen. Auch andere gesellschaftliche Probleme in Israel werden angerissen: die Schere zwischen Arm und Reich, Rassismus, Migration, der Nahostkonflikt etc.

Ein unkonventioneller, ungehemmter und unterhaltsamer Kriminalroman, der eine bunte, impulsive und oft diskriminierte Szene in den Vordergrund rückt und mit einem flatterhaft-schrägen Ermittler der anderen Art ironisch-humorvolle Szenen und bissige Dialoge im atmosphärischen Tel Aviv erschafft. Schrill und dabei mit ernsten Momenten zugleich und mit einigen gesellschaftskritischen Elementen gespickt.