Schalom!

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kleine hexe Avatar

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Der blutrote Lippenstift wie eine Gewehrkugel ist ein großartiges Titelmotiv für einen Krimi. Der Eyecatcher schlechthin.
Ein direkter Einstieg in die Handlung macht es dem Leser nicht gerade leicht, auch hier einzusteigen. Ein Fohlen, das Wölkchen ausstößt? Und wieso ist Oded vor dem Türsteher so schüchtern und versucht ihn trotzdem anzumachen? Und welche Rampe ist gemeint? Aber halt. Wir sind in Israel, mit der Selektion auf der Rampe kann nur die schreckliche Selektion des Lagerführers beim Eintritt in das KZ gemeint sein. Oder der Satz: „Und ich hätte in Ausschwitz keine Kartoffelschale mit dir geteilt…“ (S. 334), ist auch einer jener Sätze die mir die Luft zum Atmen nehmen. Aber: Wir sind in Israel. Die dürfen darüber Witze reißen, die sich für uns wie ein Schlag in den Plexus anfühlen. Und beim Weiterlesen wird klar: wir sind nicht ausschließlich im Hetero-Milieu. Da tummeln sich Homosexuelle, Transgender und andere sexuell um- und neuorientierte in den Seiten des Buches.
Über allen residiert, operiert, bedroht und erpresst der halbseidene und steinreiche Binyamin Direktor die Menschen. Oded Chefer soll für ihn herausfinden, was mit Carine Carmeli, einem Internetsternchen los ist, die seit ein paar Wochen depressiv wirkt. Schnell findet Oded heraus, dass da mehr dahintersteckt als eine verschmähte Teenie-Liebe und dass womöglich eine Verbindung zu einem transgender Mann besteht, der/die seit der Party bei Binyamin verschwunden ist. Oded entdeckt immer mehr Übereinstimmungen zwischen dem Verschwinden von Gabriele auf der Party und einem anderen jungen Transgender, Prince, der seit ein paar Wochen wie vom Erdboden verschluckt ist.
Zu den Recherchen kommen noch Odeds private Probleme hinzu, seine unglückliche Liebe zu Stas, Binyamins Bodyguard, die Probleme mit der Familie. Und trotzdem wird Oded die Fälle lösen.
Die Dialoge sind gewitzt und durchtrieben, man könnte diesen Leuten (ist das geschlechtsneutral genug?) ewig zuhören, mit ihren Sticheleien und Eifersüchteleien. Da wird verbal mit harten Bandagen gekämpft. Allem Anschein nach ist das Transvestiten und Transgender Milieu nichts für zartbesaitete. Für uns Leser ist dieser permanente Schlagabtausch mit seinem Sarkasmus und Ironie genussvolle Lektüre. Bis wieder eine Anspielung auf den Holocaust fällt, das mir das Lachen vergeht.
Wer während dieser Dialoge richtig schwer arbeiten musste, ist Markus Lemke, der geniale Übersetzer. Aus dem Neuhebräischen diese Repliken so ehrlich und manchmal auch brutal zu übersetzen war bestimmt nicht einfach.