Kein italienischer Franzen!

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gaudbretonne Avatar

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Das Cover-Zitat »Ein Roman für alle, die Philip Roth oder Jonathan Franzen lieben.» hat mich neugierig gemacht, denn die Werke der genannten Autoren habe ich in der Vergangenheit immer verschlungen. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen, als ich den Roman „Der letzte Sommer in der Stadt“ von Gianfranco Calligarich zur Hand nahm. Schnell zeigte sich jedoch, dass diese nicht erfüllt werden. Und die Lektüre erweist sich sogar als extrem zäh.

Leo Gazzarra, ein junger und talentierter Mann, verlässt seine Familie in Mailand, um in Rom sein Glück zu finden. Er schließt schnell neue (oberflächliche) Freundschaften, bekommt viele Chancen und lässt sie dennoch ungenutzt. Dies gilt sowohl für seine berufliche Entwicklung als auch für sein Privatleben. Er verliebt sich unglücklich in die schöne Arianna, die er fortan abgöttisch liebt. Die toxische Kraft dieser Liebe wird jedoch schnell manifest. Die beiden können nicht mit, aber auch nicht ohne einander.

Dabei bleiben viele Handlungen – trotz der gewählten Ich-Perspektive - nicht nachvollziehbar. Dies liegt wohl auch an der fehlenden Identifikation mit einem Protagonisten, der ziellos in den Tag lebt, sich ständig betrinkt und sich auf zweifelhafte Freunde einlässt, die häufig ebenfalls unter die Kategorie „Taugenichts“ fallen. Unter dem angekündigten „La Dolce Vita“ hatte ich mir definitiv etwas anderes vorgestellt, als es hier präsentiert wird. Leos Leben spielt sich zu großen Teilen in Bars und Salons ab, wo der Alkohol zum bestimmenden Faktor wird. Das hat m.E. nichts mit dem italienischen Lebensstil zu tun und könnte ebenso in Berlin, Paris oder New York spielen.

Intertextuelle Bezüge geben dem Text einen (pseudo)intellektuellen Anstrich, der aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass es ihm an Tiefe (und Sinn?) fehlt. Die Handlung plätscherte insgesamt völlig spannungslos vor sich hin und erzeugte bei mir Langeweile, die lediglich durch großartige Passagen, in denen Orte oder Naturbeschreibungen in ihrer Stimmung dargestellt werden, unterbrochen wurde. Hier vermag der Autor sein sprachliches Können auszuspielen. Ansonsten wirkt der Text jedoch auch stilistisch häufig „altbacken“.

Aus diesen Gründen kann ich keine Leseempfehlung aussprechen und erkenne auch keine Parallelen zu den eingangs zitierten Autoren Franzen und Roth, die stets eine Menge zu sagen hatten und dies auch kohärent und plausibel in stilistisch überragender Form zu Papier brachten.