Die schmutzige Glitzerwelt

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Eine Rezension zu „Der Mann, der nicht mitspielt“ – von Christoph Weigold

Das Cover zeigt die Silhouette zweier Palmen beleuchtet von Scheinwerfen der Filmstudios Hollywoods, dessen Lichtermeer sich im Hintergrund präsentiert. Die dunkele, in Schwarz und Weiß gehaltene Szenerie wird in Gold umrahmt. Der Titel ist ebenfalls in Gold gedruckt. Dadurch entsteht eine hochwertige Optik, die durchaus an den Look der klassischen Filmbranche erinnert.
Die Schriftart des Titels ist ebenfalls an Filmstudioschriften angelehnt. Diese ähnelt stark den alten Universal-Logos. Entfernt man den Buchumschlag, so erkennt man, dass der Einband komplett golden ist. Nur der Schriftzug auf dem Buchrücken ist in Schwarz gedruckt. Alles in allem ist dies ein Buch, dass ich lieber im Regal stehen habe, als versteckt hinter einer Schranktür.

Der Mord an einer Schauspielerin schlägt hohe Wellen und droht Hollywood wie man es damals kannte zu sprengen. Die Geschichte basiert auf dem Arbuckle-Skandal der 20er Jahre, bei dem Roscoe Arbuckle des Mordes an Virginia Rappe beschuldigt wurde. Hier beginnen Fiktion und Realität zu verschwimmen, denn unser Hauptcharakter muss den Fall lösen, der damals zu keinem Ergebnis führte.

Ganz im Stile eines Film Noir erleben wir eine Geschichte mit einer zynischen und pessimistischen Weltansicht, die mit humoristischen Dialogen und guten Tempo einen sehr angenehmen Lesefluss aufweist. Zahllose schwarzhumorige Sprüche, einige Running Gags und Gastauftritte bekannter Personen der Filmbranche lockern die bedrückende, teils schockierende Handlung immer wieder auf. Der Plot wird aus der ICH-Erzählperspektive des Hauptcharakters Reinhard „Hardy“ Engel erzählt, der uns mehr oder weniger sympathisch und humorvoll durch die Filmbranche der 20er Jahre führt. Wir erfahren im Prolog, dass bereits 20 Jahre vergangen sind und er nun darüber reden will, was 1921 geschah.

Präsentiert wird uns eine schonungslose Darstellung einer Welt voller Geld, Drogeneskapaden, Sex-Exzessen, Ehebruch und Mord hinter der glitzernden Saubermann-Maske der Glamour- und Filmwelt. Vertuschung gehört hier zum Alltag und trauen will man keinem Charakter vollends. Der Leser vertraut also erstmal den subjektiven meist misstrauischen und abwertenden Meinungen Engels, die uns durch die ICH-Erzählperspektive unweigerlich offengelegt werden. Hardy ist ein deutscher Schauspieler und Komiker, der nach dem Krieg in die Staaten kam, um ein neues Leben anzufangen.
Da er bis auf ein paar kleinere Rollen noch nicht das große Geld verdienen konnte, bietet er nebenbei private Ermittlungen an. Hierbei hilft ihm seine langjährige Berufserfahrung als Polizist.
Doch selbst seine berufliche Vorgeschichte macht Hardy nicht zu einem unfehlbaren Charakter. Doppelte Spielchen, Lügen und sogar Drogenlieferungen sind für ihn ebenso normal, wie für jede andere Figur im Roman. Hierbei weist er aber eine gewisse Grundmoral auf. Sein Drang zur Wahrheit in einem durch ein Lügennetz gesponnenes Hollywood bringt ihn aber schon bald in Lebensgefahr.
Bei seinem ersten Auftrag lernt er die junge, rothaarige Sekretärin Pepper Murphy kennen, der er klischeehafterweise sofort verfällt. Pepper ist hier als ein zwar junger doch selbstbewusster Charakter geschrieben, der weit mehr Tiefe bekommt, als die anderen eher flachen und meist auf Äußerlichkeiten reduzierten weiblichen Figuren. Hierbei bedient sich der Autor lediglich des Meinungsbildes der damaligen Zeit, das geprägt war von Sexismus, Homophobie und Rassismus.
Letztendlich bleibt lange offen, ob Hardy seiner Geliebten vertrauen kann oder auch sie ein doppeltes Spielchen spielt.
Ein verlässiger Charakter ist sein Kollege Buck, in dessen „Jail Café“ es sich Hardy des Öfteren verschlägt und mit dem er vieles teilt, was er schon in Erfahrung gebracht hat. Als Gegenleistung erhält er von Buck Insiderinfos und Ratschläge. Zudem darf Hardy bei ihm anschreiben (ein guter Freund eben).

Ich empfehle jedem das Buch, der den ein oder anderen derben Spruch und harte Szene gut verträgt.
Der Humor ist dennoch erstklassig und gut dosiert und hat mich einige Male zum Grinsen verleitet.
Als Krimi-Debütant habe meinen Spaß am Genre entdeckt und verbleibe gespannt auf den zweiten großen Fall des Hardy Engel, der bereits im Epilog angeteasert wurde. Ich habe mich in die Szenerie des alten Hollywoods verguckt, denn Hollywood will, um es mit Engels Worten zu sagen: „… uns beharrlich glauben machen, es wäre eine schöne Glitzerwelt, in der Freunde den ganzen Tag zusammen Spaß haben und unser aller Träume ausleben. Aber in Wahrheit ist es ein Schweigekartell, das auf Angst und Duckmäusertum aufgebaut ist, mit Herren und Sklaven. Es ist zutiefst schizophren.“.