Über das Menschsein

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Es ist wunderbar, dass das schriftstellerische Werk von Walter Tevis fast 40 Jahre nach seinem Tod neu entdeckt und aufgelegt wird – nach dem großen Erfolg des „Damengambit“ nun auch der faszinierend vorausschauende Roman „Der Mann, der vom Himmel fiel“, der als Kultfilm bereits mit David Bowie bekannt ist.

Bereits 1963 veröffentlicht, verliert der atmosphärische und philosophisch angehauchte Science-Fiction-Roman nicht an Dringlichkeit sowie Aktualität und besticht mit einer poetisch-melancholischen Rahmenhandlung: Protagonist Thomas Jerome Newton ist als Außerirdischer vom Planeten Anthea auf die Erde nach Kentucky/USA gekommen, um Raumschiffe sowie Technologien zu verkaufen, um mit diesen wieder zu seinem Heimatplaneten zurückzukehren. Dieser ist seit einer atomaren Katastrophe verseucht und Newton versucht verzweifelt, die letzen seiner Art zu retten. Psychologisch feinfühlig leuchtet Tevis hier den einsamen und nachdenklichen Charakter von Newton aus, wenn dieser die Menschen und ihr Wesen beobachtet und reflektiert, wieviel er davon selbst ist und Anthea schmerzlichst vermisst. Während er erfolgreich zahlreiche Patente von seinen Technologien verkauft und steinreich wird, kämpft Newton mit tiefer Isolation und Verzweiflung – er beginnt wie viele seiner Mitmenschen zu trinken und beobachtet weiterhin scharfsinnig seine Umwelt, während ihn Sorgen, Schmerzen und Hindernisse in einer vertrauensvollen Kommunikation plagen.

Der sehr zerbrechliche, depressive und intellektuelle Newton kristallisiert sich dabei immer detaillierter als eine Metapher über das Menschsein mit all seinen Krisen heraus und zieht starke Bezüge zu Ikarus – was macht uns aus und was zwingt uns in eine existentielle Einsamkeit sowie Verrohung der Zustände? Warum zerstören wir unseren Planeten und finden nicht zu einem Miteinander? Walter Tevis lässt dabei in seinem schnörkellosen und klaren Roman Lücken, leuchtet nicht alle Zeitspannen ausgiebig aus – das tut dem klug-traurigen Science-Fiction-Klassiker mit der nachdenklich stimmenden Handlung aber keinen Abbruch, sondern lässt die Leser mit vielen Anreizen zum weiteren Reflektieren zurück. Es ist anzunehmen, dass Tevis in diesem stark gesellschaftskritischen Roman eigene biografische Traumata und seine langjährige Alkoholsucht ergreifend bearbeitet.

Fesselnd, aktuell und intelligent – Newtons bewegende Mission und starken Gedanken sowie sein psychologisch glaubwürdig austarierter Kampf sind wunderschön-schmerzhaft und feinsinnig erzählt.