Der Mord des Jahrhunderts und der anhaltenden Zeitungskrieg

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Als im Sommer 1897 ein paar Kinder im East River in New York ein Päckchen finden, in dem sich der Oberkörper eines Mannes befindet, geht man zuerst von einem der üblichen Streiche der Medizinstudenten aus. Im Leichenschauhaus findet man aber Spuren eines Kampfes an der Leiche, die auf Mord hindeuten. Einen Tag später wird ein weiteres Paket gefunden und dessen Inhalt passt wie ein Puzzlestück an den ersten Fund. Außerdem wurden beide Bündel in einem Wachstuch der gleichen Art verpackt. Bevor die Polizei überhaupt die erste Spur verfolgt, sind die Reporter bereits unterwegs. Sie machen den Fall öffentlich und es beginnt der erste große Zeitungskrieg, angeführt durch die Verleger Hearst des Journals und Pulitzer der World. Dies allerdings behindert zunächst die Ermittlungen der Polizei, denn immer mehr falsche Zeugen und Hinweise tauchen auf. Der Wettstreit bringt aber allerdings auch neue Erkenntnisse für die Ermittlung + 2 Tatverdächtige können verhaftet und verurteilt werden. Doch damit ist der Zeitungskrieg noch lange nicht beendet.

Der Autor Paul Collins hat in seinem Buch den wahren "Fall Guldensuppe" sehr ordentlich und ausführlich recherchiert, was durch die Quellenangaben am Ende des Buches belegt wird. Er schafft es sehr nachvollziehbar, uns die damaligen Polizei- und Zeitungsarbeit näher zu bringen. Aber auch der Kampf der Zeitungen um die höchste Auflage und der Weg dorthin wird uns sehr gut vermittelt. Beide Seiten hatten mit den damaligen Gegebenheiten zu kämpfen und man lernte aus dem Fall und fand neue Lösungswege.

Das Cover gefällt mir sehr gut, denn es ist passend gewählt und baut direkt eine Verbindung zur Geschichte auf. Aber auch ein Blick unter den Schutzumschlag ist zu empfehlen: Hier wurden weitere Schlagzeilen und Bilder von früher abgedruckt. Dies gefällt mir persönlich sogar besser als das eigentliche Cover!

Insgesamt ist die Geschichte einfach und flüssig geschrieben. Leider erscheint sie mir stellenweise eher wie ein Sachbuch oder eine Zusammenfassung aus den damaligen Zeitungen; sie ist manchmal etwas zu langatmig und abschweifend.

Vorteilhaft ist aber, dass die Geschichte in die Bereich Opfer, Verdächtige, Anklage, Prozess und Urteil unterteilt wurde. Dazu gibt es jedes Mal eine Zeichnung aus den damaligen Zeitungen, was ich sehr positiv finde.
Durch die vielen falschen Spuren die von den Zeitungen gelegt wurden, fühlt man sich in die Geschichte hinein versetzt; man wird gezwungen, sich eine eigene Meinung zu bilden und mit zu rätseln. Man fühlt sich wie ein stiller Beobachter, nur mit dem heutigen Wissen um Themen wie z.B. die Spurensicherung. Interessant ist zu erfahren, wie das Vorgehen der Polizei oder vor Gericht damals war: Zeugen wurden unter Anwesenheit der Presse befragt, Gefangene konnten (fast) jederzeit besucht werden oder Verhandlungen wurden mal eben unterbrochen, weil es im Gerichtssaal roch oder die Geschworenen sich den Tatort anschauen sollten. Erschreckend fand ich aber, wie man mit den Fehlern des elektrischen Stuhles umgegangen ist und die Hingerichteten noch für wissenschaftliche Zwecke nutzte.

Ich finde das Buch ist für jeden, aber besonders für Leser geeignet, die sich für die Geschichte der Presse oder der Kriminalität interessieren.
 

dingsbaer