Der Schweiß im Angesicht

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leo.leporello Avatar

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Bei Diogenes-Büchern weiß man nie genau, was sich unter den gleichartig wirkenden Covern mit ihren wechselnden Abbildungen von Gemälden verbirgt. Es mutet wenigstens immer idyllisch an. Ein Schein, der trügt. Wie dieses Buch zeigt. Ich finde es bemerkenswert, mit viel Lust die Autorin auf die körperlichen Befindlichkeiten im Alltag schaut; nicht etwa bloß die Gefühle, sondern Bedürfnisse wie Harndrang, Medikamentengaben und Krankheiten. Kleine Blicke auf die Körper ihrer Figuren – wie den von Coco, der mit der Pubertät beginnt, dick zu werden. Ihre Stiefmutter Ea fürchtet, sie werde bald in der Schule gehänselt werden. Aber nicht nur die Sorgen um ihre Stieftochter beschäftigen sie; auch der Haushalt; und vor allem ihre tote Mutter, zu der sie ein ungeklärtes Verhältnis hat. In Kopenhagen wiederum ist ihre Schwester Sidsel alleinerziehende Mutter und erhält einen Auftrag, beruflich nach London zu fahren. Dorthin, wo der Vater ihrer Tochter zu leben scheint. Niels, ihr Bruder, ist der freieste von den dreien, rast wie wild auf dem Rad durch die Stadt. Aber er ist nicht weniger voll von Gedanken, allerdings eher philosophischen.
Minor wirft einen frischen und ehrlichen Blick auf den Alltag dreier Geschwister, die sich auf ganz unterschiedliche Lebenswege begeben haben, in Kopenhagen und San Francisco. Freilich, sie teilen auch Dinge miteinander: Sie fühlen sich ausgelaugt und haben das Bedürfnis, in den festgefügten Strukturen – mit Kind oder mit Partner – einmal allein zu sein, Ruhe zu finden.
Ein flott erzählter Roman über beklemmende Sehnsüchte und unsere allgegenwärtigen Probleme mit und im Wohlstand der ersten Welt – und beiläufig, mit einem Zwinkern, rücken die Körper in ihrer Natürlichkeit in den Fokus. Wie sich die drei Lebensstränge im Laufe der Handlung miteinander verweben, wird der weitere Text nach der Leseprobe wohl zeigen ...