Eine dänische Familiengeschichte

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petris Avatar

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Der Panzer des Hummers lag als Leseexemplar schon eine ganze Weile auf meinem Stapel. Der Klappentext klang nicht schlecht, aber den Titel fand ich so gar nicht ansprechend, das Bild auf dem Cover eher nichtssagend. So kam es, dass sich immer wieder andere Bücher vordrängten, Leserunden wichtiger waren, andere Titel und Cover mehr Lust auf das Lesen machten.
Irgendwann landete der Roman dann doch wieder oben auf dem Stapel. Und ich startete mit der Lektüre, die mich sehr schnell in ihren Bann zog. Zum Glück gibt es am Anfang ein Personenverzeichnis, sonst hätte ich wohl schon auf den ersten Seiten den Überblick verloren, aber mit Hilfe des Verzeichnisses kann man die Personen bald unterscheiden und muss nicht mehr ständig nach vorne blättern.
Im Mittelpunkt steht eine Familie, die sehr unterschiedlich versucht die Kindheit zu verarbeiten bzw. mit der Vergangenheit umzugehen. Die Eltern sind jung verstorben, die Mutter an Krebs, der Vater als Forscher weit weg im Krankenhaus in Sibirien. Im Roman tauchen sie in einem sehr interessant dargestellten Jenseits auf, in dem kurz die Schwelle durchlässig wird, auch weil die älteste Tochter über ein Medium versucht, mit der Mutter Kontakt aufzunehmen. Das klingt jetzt sehr esoterisch, in Wirklichkeit fügt sich dieser Teil sehr schön in die Handlung ein, wird sehr sachlich und realistisch erzählt. Mir gefielen diese Zwischenspiele.
Die Kinder sind nach dem frühen Tod der Eltern weit auseinandergedriftet. Sidsel hat eine Tochter und arbeitet als Restauratorin, der Jüngste, Niels hat sich für die völlige Freiheit entschieden, lebt nie lange an einem Ort, ist immer in Bewegung und auf dem Sprung und Ea, die älteste der drei, hat viel Raum zwischen sich und ihr altes Leben gebracht. Sie lebt mit ihrem Partner und dessen Tochter in San Francisco. Sie ist es auch, die plötzlich etwas wahrnimmt und mit Hilfe der Seherin Kontakt mit ihrer Mutter aufnehmen will.
Abwechselnd wird aus den Leben der Geschwister erzählt, dazwischen erfahren wir auch etwas über das Medium und wir treffen die Eltern in einer anderen Welt. Das fügt sich wunderbar zusammen, ist schön erzählt und schön zu lesen. Es geht um Elternschaft, um Beziehungen, um die Kindheit, um Familien, um Freiheit,… Ganz viele Themen kommen hier zu Wort, und ich las den Roman mit großer Begeisterung.
Lediglich der Schluss hat mich nicht ganz überzeugt. Die Begegnung mit der Mutter im Jenseits wird sehr schnell beendet, dafür bekommen Nebenfiguren eine Bedeutung und eigene Geschichten, die etwas too much wirken und dass am Ende Eas Partner, der ihr kurz vorher einen Antrag gemacht hat, noch ein Geheimnis vor ihr hat (unnötigerweise), das hätte es auch nicht gebraucht. Ja, der Schluss war mir zu überladen mit neuen Geschichten und Ansätzen, das fand ich nicht stimmig und das hat der Bewertung dann einen Stern gekostet.
Der Roman bis dahin ist allerdings eindeutig ein 5-Sterne Buch! Die Autorin werde ich im Auge behalten. Dass sie erzählen kann hat sie hier eindrucksvoll bewiesen.