Familie kann man sich nicht aussuchen

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eulenmatz Avatar

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MEINUNG:

Momentan lese ich sehr viel dänische Literatur. Ich wollte mich mal ein bisschen außerhalb meiner Komfortzone der dänischen Thriller und Krimis bewegen. Nach Meter pro Sekunde, welches mich nicht so richtig begeistern konnte, wage ich mich nun mit Der Panzer des Hummers an den nächsten dänischen Belletristik Roman. Übersetzt wurde das Buch von Ursel Allenstein, die u.a. auch Tove Ditlevsen übersetzt.

Im Vorfeld hat mir eine Freundin, die bei einer Lesung der Autorin war, erzählt, dass die Autorin die sogenannte Carrier-Bag-Theorie von Ursula K. Le Guin verwendet in ihrem Roman. Das kann man ebenfalls in dem Interview lesen, welches hinten im Buch ist. Bevor ich das Buch angefangen habe, habe ich mich also dazu belesen. Im Wesentlichen verfolgt die Carrier-Bag-Theorie einen abweichenden Erzählaufbau. Viele fiktiven Geschichten folgen der bekannten Heldenreise. Die Carrier-Bag-Theorie ist praktisch das Gegenteil davon. Es gibt nicht eine zentrale Person (den/ die Held/in), sondern es ist eine Aneinanderreihnung vielen Protagonistin und deren Geschichten. Fokus liegt auf dem Alltag. Vielleicht sollte man sich vorher damit beschäftigten, um am Ende hier nicht enttäuscht zu werden.

Aus diesem Grund gibt es in der Der Panzer des Hummers auch keinen wirklich gut erkennbaren roten Faden bzw. ein Ziel, auf das hingearbeitet wird. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der drei Geschwister Sidsel, die alleinerziehende Mutter ist und in Kopenhagen wohnt, ihr jüngerer Bruder Niels, der ebenfalls Kopenhagen wohnt und Plakatierer ist und ihre älteste Schwester Ea, die in San Francisco lebt. Ea nimmt Kontakt zu einer Seherin auf, die Kontakt zu der verstorbenen Mutter der drei aufnehmen soll. 

Das Buch ist abwechselnd aus der Sicht der drei Geschwister, der Seherin und quasi aus dem Jenseits aus der Sicht der Mutter geschrieben. Sidsel hat einen Auftrag in London und da sowohl die Seherin als auch Ea in den USA leben, spielen große Teil eher außerhalb von Dänemark. LeserInnen, die hier viel dänisches Flair erwarten, kommen hier also nicht unbedingt auf ihre Kosten. Ich fand den Schreib- und Erzählstil der Autorin sehr angenehm zu lesen. Es liegt hier eindeutig der Fokus auf den drei Geschwistern und auch wenn erst nicht den Anschein erweckt auch auf der Seherin, die von allen vieren am liebsten mochte. Auch sie hat ihr Päckchen zu tragen und die Beziehung zu ihrer Tochter ist etwas kompliziert. Stück für Stück erfahren wir was alle vier zu bewegt und wo ihre Konflikte liegen. Man erfährt, warum Sidsel alleinerziehend ist, warum Ea keine Kinder möchte, warum Niels kein wirkliches Zuhause und wie die Beziehung zwischen den Eltern der drei war. Auch diese war von Verlust geprägt. Es fehlt ein bisschen die Interaktion zwischen den dreien. Gefühlt besteht nur eine Beziehung zwischen Sidsel und Niels, aber auch diese würde ich nicht als sehr innig beschreiben.

FAZIT:

Der Panzer des Hummers war sehr angenehmes, aber auch kurzweiliges Buch, dessen Charaktere ich aber sehr mochte. Die Autorin erzählt relativ unaufgeregt von vier Menschen und deren Lebensbiographien, mit denen sich sicherlich der ein oder andere Leser identifizieren kann. Ich bin gespannt, was uns von Caroline Albertine Minor noch erwarten wird.