Ein Sommer wie damals

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tinstamp Avatar

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Bewertung: 3 1/2 Sterne - hier aufgerundet

Eleonor, genannt Elle, verbringt ihre Sommer am liebsten mit ihrer ganzen Familie im Ferienhaus in den Black Woods, in der Nähe des Atlantiks bei Cape Cod. Dort hat sie schon ihre Kindheit, gemeinsam mit ihrer Schwester Anna und dem zwei Jahre jüngeren Nachbarsjungen Jonas, verbracht. Die verfallenen Holzhütten, in denen die Familie noch heute den Sommer über wohnt, hat sie liebevoll "den Papierpalast" genannt. Ein kleiner idyllischer Teich ist der Mittelpunkt. Doch der Papierpalast ist auch Zeuge einer komplizierten und verlustreichen Familiengeschichte. Hier hat sich Elle das erste Mal verliebt - in Jonas, den Nachbarjungen. Als sie diesen Sommer wieder mit ihrem Ehemann Peter und ihren drei Kindern anreist, ist jedoch plötzlich alles anders. Elle hatte eine leidenschaftliche Nacht mit Jonas, den sie ihr ganzes Leben lang nicht vergessen konnte. Nun steht sie vor der Frage, mit welchen der beiden Männer sie ihre weitere Zukunft verbringen möchte....

Als Rahmenhandlung für ihren Roman nimmt Miranda Cowley Heller nur einen einzigen Tag. Dabei erfahren wir in Rückblenden von Elle’s Kindheit, die geschickt mit der Gegenwart verwoben wird. Der Autorin gelingt ein komplexes, bedrückendes, aber auch sehr eindringliches Porträt einer komplizierten Familie. Die Entwicklung der Frauen - Elle, Wallace und Anna - und ihre Beziehung zueinander zählt für mich zu den Stärken des Romans. Die Geschichte wechselt immer zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Trotzdem handelt es sich hier nicht um die im Klappentext suggerierte sommerliche Strandlektüre, denn der Roman schreckt nicht vor harten Themen, wie sexuellem Missbrauch und Gewalt zurück. Romantische Gefühle wurden, vorallem durch die sehr oft verwendete rüde und ordinäre Sprache bei erotischen Szenen, im Keim erstickt. Zusätzlich bin ich kein Freund von Dreiecksbeziehungen.
Besonders im Vergangenheitsstrang, der die Kindheit von Elle und Anna erzählt, erfahren wir von einigen traumatischen Erlebnissen, die eine Triggerwarnung benötigt hätten.

Ein Highlight sind die wunderschönen, detailreichen und bildstarken Beschreibungen der Landschaft. Die Tier- und Pflanzenwelt wird sehr lebendig und stimmungsvoll beschrieben. Der Scheibstil ist sowohl poetisch, als auch bei einigen Szenen etwas explizit.
Die Hype um die Geschichte kann ich nicht ganz nachvollziehen. Mir hat der Roman gut gefallen, aber er rangiert bei mir eher im Mittelfeld bzw. sticht nicht wirklich unter anderen ähnlichen Romanen hervor.

Für mich blieb das Ende leider offen, welches Raum für Interpretation und Spekulation lässt. Einige Buchblogger empfanden dies nicht so, doch mich verwirrte vorallem der letzte Absatz so sehr, dass ich nach dem letzten Satz nicht wusste, wie Elle sich entschied. Darüber bin ich doch etwas enttäuscht, denn ich mag offene Enden nicht.

Der Roman ist definitiv keine leichte Kost und auch keine leichte Sommerlektüre. Eine Triggerwarnung fände ich angebracht. Trotzallem hat mich die tiefgründige Geschichte voller Geheimnisse und Lügen teilweise fasziniert. Bei meiner Bewertung bin ich mir diesmal ziemlich unsicher und vergebe 3 1/2 Sterne, die ich auf anderen Portalen aufrunden werde.