Ein unglaublich facettenreiches Buch, das Gefühle beim Lesen erzeugt und diese gleichzeitig in Widerstreit versetzt.

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pitty318 Avatar

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Da in dem Buch heftige Szenen beschrieben werden, wäre eine Triggerwarnung angemessen gewesen.

Eine Frau erzählt aus ihrem Leben als Kind, Jugendliche, Erwachsene, Ehefrau, Mutter und Geliebte, von Sexualität, Traumata, Schuld, Verantwortung und Liebe.
Die Geschichte wird in zwei Erzählsträngen erzählt. Einem Erzählstrang, der in der Vergangenheit bei 1966 beginnt und meist in Jahren vorwärts erzählt wird.
Ein zweiter Erzählstrang handelt von einen Tag im Leben von Eleanor in der Gegenwart, ihren Erlebnissen, Befürchtungen und Entscheidungen zusammen mit ihrer Familie an dem Urlaubsort in Black Wood.
Eleanor (Elle) hat mit Ihrem Mann Peter zusammen drei Kinder. Sie sind fast jedes Jahr im Sommer in Black Wood, wo Eleanor schon als Kind mit ihren Eltern den Urlaub verbracht hat. Als Teenager hat sie dort Jonas kennengelernt, und eine intensive Teenager-Beziehung ist durch ihre gemeinsamen Urlaubserlebnisse entstanden. Später lernt Eleanor Peter kennen und heiratet ihn. Sie liebt ihre drei Kinder und ihren Mann, fühlt sich aber gleichzeitig unwiderstehlich zu ihrem alten Jugendfreund, der inzwischen ebenfalls verheiratet ist, hingezogen. Wie und unter welchen Voraussetzungen wird sie ihre Entscheidung in der Gegenwart treffen?

Sehr unaufgeregt schreitet die Erzählung mit vielen Naturdetails voran. Mich hat die Autorin schon gleich auf den ersten Seiten in den Sog der Lebensgeschichte von Elle gezogen. Dieser Sog hielt bei mir bis zur Hälfte des Buches an. An der Stelle war ich soweit, das Buch aus der Hand zu legen und abzubrechen, weil die Ereignisse mich unglaublich betroffen gemacht haben. Die emotionale Verwicklung von Elle war kaum aushaltbar gewesen. Aber, ich wollte wissen, welche Ereignisse Elles und Jonas Leben überschatteten und ich las weiter und merkte, dass das zu Ende lesen etwas sehr Heilsames hatte.
Das Buch handelt von vielen Gefühlen, durch die eine Frau im Leben durchgehen kann: Verliebtheit, Dumpfheit, Hass, Trauer, Schuldgefühle, Eifersucht, Ärger, Versöhnlichkeit, Freude, Erleichterung, Liebe … Diese Gefühle werden nie direkt ausgesprochen, aber alle spiegeln sich bei der Leserin wider.

Um bei den Erzählsträngen den Überblick zu behalten, habe ich manchmal zurückblättern müssen. Auch die zahlreich erwähnten Personen waren nicht immer einfach zuzuordnen.

Das Buch ist keine einfache Sommerlektüre und kein Liebesroman! Aber gerade deshalb zählt Der Papierpalast zu meinen Lesehighlights des Jahres 2022. Wer gerne facettenreiche Geschichten - leicht und detailreich erzählt und mit sehr, sehr viel Tiefgang - liest, wird nicht enttäuscht werden.