Bretonischer Sommer

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Der Sommer in dem alles begann, von Claire Léost, ‎ Kiepenheuer & Witsch eBook.
Eine bretonische Geschichte die von Vergangenheit und Gegenwart erzählt.
Helene lebt in der Bretagne, sie ist mit Yannick zusammen, ihrem gleichaltrigen Freund. Eines Tages kommt die literaturliebende Lehrerin Marguerite dorthin, um nach ihrer Mutter zu suchen. Sie wurde als Kind adoptiert, nach einer Vergewaltigung wurde ihre Mutter Odette in dem Glauben gelassen, dass das Baby gestorben ist. Marguerite lebt dort mit ihrem Mann Raymond, ein Schriftsteller mit Schreibblockade. Helene, ihre Lieblingsschülerin, fühlt sich von Raymond angezogen. Helene, Marguerite und Odette – drei Frauen drei Generationen, deren Wege sich in einem kleinen bretonischen Dorf kreuzen - und das Verhängnis beginnt.
Das Buch besteht aus Kapiteln in idealer Leselänge, die mit den auf den Inhalt hindeutenden Überschriften versehen sind. In zwei Zeitebenen erzählt. Zum einen die Erlebnisse von Odette, in den vierziger Jahren und zum anderen die Geschehnisse in der Bretagne, in der Gegenwart. Die Autorin hat den auktorialen Erzählstil gewählt, der Wechsel der Erzählebenen gelingt reibungslos. Der Leser kann, dem Geschehen jederzeit folgen, auch die Figuren handeln nachvollziehbar, traurige, aber auch heitere Abschnitte sind vorhanden, der Roman ist flüssig zu lesen. Lokalkolorit ist genügend vorhanden, jederzeit ist dem Leser das Setting bewusst, diese Beschreibung ist der Autorin gelungen.
Ich habe mich auf eine nette Sommergeschichte gefreut, die in der Bretagne spielt, eine Lehrerin auf der Suche nach ihrer Mutter und ein befriedigendes Ende. Ich würde vorliegendes Buch am ehesten als Entwicklungsroman bezeichnen. Der Plottwist am Ende hat mich geradezu schockiert. Nachdem alles sehr gemächlich beginnt und die Erzählung ruhig weitergeht, spitzt sich zum Ende hin das Verhängnis dramatisch zu. Der Erzählstrang in der Vergangenheit, der über Odette erzählt, hat mir jedoch am besten gefallen, war spannend. Abschnittsweise ist der Plot sehr düster und tragisch. Und auch das Ende hat mich eher traurig gestimmt.
Nähere Informationen über die Resistance und das Leben der Bretonen in der heutigen Zeit sind dabei m.E. etwas auf der Strecke geblieben, da hätte ich mehr erwartet. Gefühlt zeigt die Autorin auch eine gewisse Distanz zu ihren Figuren. Außer die genauere charakterliche Darstellung von Helene, sind die anderen Figuren etwas blass geblieben, die Innenansichten von Odette, Marguerite, Yannick und auch Raymond hätten mich ebenfalls interessiert. Insgesamt hätten dem Buch wohl einige Seiten mehr sehr gut getan.
Ein Satz hat mich aber dennoch sehr berührt: „Kinder großziehen heißt, sie mit aller Macht zu lieben, damit sie einen irgendwann verlassen.
Eine Empfehlung an Leser, die melancholische Entwicklungsromane mögen. Von mir drei Sterne.