Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

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Johann Georg wird von seiner Mutter Faustus – der Glückliche - genannt. So ganz kann man dieses Attribut aber nicht nachvollziehen, betrachtet man die Lebensumstände des Jungen. Sein Vater ist zwar Ende des 15. Jahrhunderts der reichste Bauer in Knittlingen im Kraichgau, zieht aber seine beiden älteren Brüder vor, die von körperlich kräftiger Statur auf dem Hof von Nutzen sind. Johann scheint ihm in keiner Weise zu genügen. Dabei ist er intelligent und nutzt jede Möglichkeit, im Kloster Maulbronn etwas zu lernen. Martin, sein jüngerer Bruder, ist verwachsen und wird vom Vater noch mehr ignoriert. Von daher ist es nur verständlich, dass sich Johann mit ihm verbunden fühlt und die spärliche Zeit gemeinsam mit seiner Mutter genießt. Als sie viel zu früh stirbt, verliert Johann sämtliche Fürsprache in der Familie. Heimlich trifft er sich mit Margarethe, seiner Freundin aus Kinderzeiten. Sie ist die Tochter des Pflegeverwalters aus Knittlingen und einem anderen versprochen. Ihre Treffen im Wald verursachen bald schon Gerede. Als eines Nachmittags auch noch Martin spurlos im Wald verschwindet und Margarethe während der stundenlangen Suche traumatisiert wird, bleibt Johann nur noch die Flucht. Mit dem Magier Tonio reist er durch die Landen und lernt, wie ein Gaukler zu leben.

Seit der Henkerstochter wissen wir, dass Oliver Pötzsch spannende Handlung mit realer Historie verbinden kann und dies vor einer farbenprächtigen Kulisse präsentiert. Der Spielmann ist meiner Meinung nach sein vorläufiger Höhepunkt. Goethes Faust wird hier zu einer lebendigen Figur, die seine Leser zum Nachfühlen und Mitfiebern animiert. Die Titel reichen von Hochstapler, Astrologe bis Quacksalber. Was trieb ihn aber wirklich an? Mit einem Lächeln sieht man ihm beim Werben um Margarethe zu und möchte ihn im nächsten Augenblick davor bewahren, mit dem Zauberer mitzufahren, obwohl man genau weiß, dass Johann seinen Heimatort verlassen muss. Auch als Leser fühlt man die Schwere der Entscheidung für das weitere Leben. Je mehr Zeit Johann mit Tonio verbringt, desto spürbarer wird auch das Dunkle, das ihn umgibt. Johann ist zudem niemals zufrieden, mit dem, was er erreicht. Auch dieser Charakterzug lässt den Leser Böses ahnen.

Faustus Leben und seine Wünsche werden für ihn zur Zerreißprobe. Er will Gutes tun und spürt, dass das Böse nach ihm greift. Obwohl Johann sich von Tonio getrennt hat, scheint dieser ihn nicht mehr loszulassen. Immer wieder bemerkt er die beiden Krähen und den Raben von Tonio in seiner Nähe. Der Meister scheint jeden seiner Schritte nicht nur zu beobachten, sondern vielmehr zu lenken. Faustus glaubt in der Aufnahme von Wissen diesen Fängen entkommen zu können. Darüber vergisst er manchmal auch seine wahren Freunde. In einer Zeit, in der Folter noch die übliche Strafe für diverse Vergehen war, mussten sich auch Gelehrte mit ihren Experimenten in Acht nehmen. Diesen Umstand nutzt Pötzsch ebenso zur Dramaturgie wie den allgegenwärtigen Aberglauben. Er schont seinen Protagonisten wirklich nicht, sondern setzt ihn körperlichen und vor allem seelischen Schmerzen aus. Mit all dem wabernden Bösen um ihn herum ist man fast verwundert, dass nicht der Teufel persönlich aus einem Feuer springt und seine Seele entreißt. Das befürchtet wohl auch Johann. Seine Furcht und den Willen, ein guter Mensch zu sein, ist zwischen den Zeilen deutlich spürbar.

Johann Wolfgang von Goethe schrieb rund 60 Jahre an seinem Buch. Es bildet die Grundlage zu diesem historischen Roman um den Alchemisten Johann Georg Faust. Oliver Pötzsch ist zum Glück schon dabei, den zweiten Teil dieser Romanbiografie zu schreiben. Sie soll im Herbst 2019 erscheinen. Ich hoffe auf eine ebenso spannende und fulminante Fortsetzung. Der Spielmann ist definitiv ein Lese-Muss.