Eher historischer Krimi als Thriller

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Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
New York 1845. Die gerade gegründete Polizei der Stadt ist ein zusammengewürfelter Haufen von Schlägertypen und seltsamen Vögeln. Auch Timothy Wilde gehört dazu - gegen seinen Willen. Bei einem Brand wurden seine Zukunftspläne zerstört, sodass er jetzt jede Arbeit annehmen muss, die sich bietet. Eines Tages läuft ihm ein völlig verstörtes kleines Mädchen in die Arme, bekleidet mit einem blutdurchtränkten Nachthemd. Sie will oder kann nicht sagen, wer sie ist. Da sie selbst körperlich unverletzt ist, muss das Blut von einer anderen Person stammen. Kurz darauf findet Tim auf einem entlegenen Gelände neunzehn Kinderleichen. Es kursieren die wildesten Gerüchte, und die politische Situation ist bis zum Zerreißen angespannt …

Autorin (Quelle: Klappentext)
Lyndsay Faye gehört zu den authentischsten New Yorkern, nämlich denen, die woanders geboren wurden. Sie lebt in Manhattan. Ihr Roman "Der Teufel von New York", der erste einer Serie um Timothy Wilde, wurde für den Edgar Award 2013 (Kategorie Best Novel) nominiert und ein internationaler Erfolg.

Allgemeines
Originaltitel: The Gods of Gotham, ins Deutsche übersetzt von Michaela Meßner
Erscheinungstermin der deutschen Ausgabe: 1. März 2014 im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv)
480 Seiten: Prolog, 27 Kapitel, Historisches Nachwort, Nachbemerkung der Übersetzerin, Kleines Glossar der Gaunersprache
Handlungsort und -zeit: New York im Sommer 1845
Ich-Erzählung des Protagonisten Timothy Wilde

Zum Inhalt
Timothy Wilde hat als Zehnjähriger seine Eltern bei einem Brand verloren, nur sein sechs Jahre älterer Bruder Valentine ist ihm geblieben. Ein weiterer Brand im Frühsommer 1845 stellt sein Leben erneut auf den Kopf und beraubt ihn seiner Existenzgrundlage: die Bar in der er als Barkeeper arbeitet, brennt ab. Auch seine Wohnung wird zerstört und die Ersparnisse sind verloren. Über seinen Bruder Valentine, einen politisch tätigen Lebemann, wird Timothy für die gerade neu gegründete Polizei (New York City Police Department / NYPD) unter George Washington Matsell (1811 - 1877 ) rekrutiert. Die Polizeitruppe besteht aus willkürlich ausgewählten Männern ohne einschlägige Ausbildung, die in 16 Stunden-Schichten die Straßen New Yorks, besonders im sozialen Brennpunkt Five Points, patrouillieren. Auf einem seiner Rundgänge prallt Timothy mit einem völlig verstörten zehnjährigen Mädchen zusammen, das nur ein blutbesudeltes Nachthemd trägt. Er bringt das irische Mädchen, das sich Bird Daly nennt, bei seiner deutschen Zimmerwirtin Mrs Boehm in Sicherheit und versucht, den Hintergründen dieses Vorfalls auf die Spur zu kommen. Über die Hinweise des verängstigten Kindes erfährt er Unfassbares und entdeckt außerhalb der Stadtgrenzen ein Massengrab mit 19 Kinderleichen. Als sich in der Stadt durch Zeitungsartikel sensationslüsterner Journalisten Gerüchte über einen perversen Serienkiller verbreiten, droht das "gesellschaftliche Pulverfass" zu explodieren. Die Stadt leidet ohnehin schon unter zunehmenden Spannungen zwischen den Nativisten und den zahllosen irischen Einwanderern, die infolge der durch die Kartoffelfäule in ihrer Heimat ausgebrochenen Hungersnot nach Amerika gekommen sind. Die protestantischen New Yorker pflegen ihren Hass auf die Katholiken, deren verderblichen Einfluss auf ihre, bisher vom "Papismus" unberührte, Gesellschaft sie fürchten. Sollte ein Ire für die Todesfälle verantwortlich sein, könnten die Folgen für New York unabsehbar sein...

Persönliche Beurteilung
Die Handlung des Romans spielt vor einem gut recherchierten und sehr interessanten Hintergrund. Die mit dem Wachstum New Yorks verbundene Steigerung der Kriminalitätsrate macht die Gründung einer organisierten Polizeitruppe erforderlich, die unter George W.Matsell vonstattengeht. Viele Einwohner leben in unbeschreiblicher Armut, besonders Schwarze und Iren haben es schwer, ihren Lebensunterhalt ehrlich zu verdienen. Die Kinder der Armen sind oft gezwungen, in Bordellen pädophilen Freiern zu Willen zu sein. Die irischen Einwanderer werden wegen ihres katholischen Glaubens angefeindet, jedes Kapitel enthält als Einführung ein zeitgenössisches Zitat aus dem New York Herald oder anderen Schriften, in denen der Absage an den "Papismus" Ausdruck verliehen wird.
Timothy Wilde, der eher unwillig als Polizist angeworben worden ist, engagiert sich nach der Begegnung mit der kleinen Bird immer mehr in seinem neuen Beruf. Er will nicht nur Streife gehen und Verbrechen verhindern, sondern auch als Ermittler arbeiten. Unterstützt wird er nicht nur von einem intelligenten Kollegen, sondern auch von Mercy Underhill, der Tochter von Reverend Thomas Underhill, die sich in den Armenvierteln karitativ betätigt. Die Figur des Protagonisten ist gut ausgearbeitet und steht als Serienheld einer neuen Reihe klar im Mittelpunkt. Die übrigen Romanfiguren verblassen daneben ein wenig, vor allem Timothys Bruder Valentine wirkt nicht ganz glaubwürdig, da seine Morphiumsucht sich in der Realität kaum mit seiner allgemeinen Leistungsfähigkeit vereinbaren lassen dürfte.
Die Handlung ist gut konstruiert und für den Leser nicht leicht vorhersehbar, allerdings bleibt aufgrund des etwas ausschweifenderen Erzählstils des Protagonisten samt Rückblicken auf Vergangenes die Spannung gelegentlich auf der Strecke. Zusätzlich wird der Lesefluss durch die Verwendung der New Yorker Gaunersprache "Flash" gebremst, zu der Polizeichef Matsell ein Wörterbuch entwickelt. Im Anhang des Romans befindet sich ein Glossar mit vielen dieser Ausdrücke, dennoch wirkt die Verwendung dieser Sprache etwas befremdlich und stört den Lesefluss.
"Der Teufel von New York" enthält trotz der bedrückend realistischen Darstellung des gesellschaftlichen Gefüges und des Elends der ärmeren Bevölkerungsschichten fast keine brutalen oder blutigen Szenen. Das Buch richtet sich eher an historisch interessierte Freunde ruhigerer Krimis als an Thriller-Liebhaber.

Fazit
Gründlich recherchiert und thematisch äußerst interessant, erfordert dieser historische Krimi auf Seiten des Lesers viel Konzentration und lässt sich aufgrund der besonderen Sprachmerkmale nicht allzu schnell lesen. 3,5 Sterne