Mäandernde Erzählweise

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Mit „Der Tote aus Zimmer 12“ lässt Anthony Horowitz den „Literatur-Detektiv“ Atticus Pünd bzw. die Lektorin von dessen Autor in die zweite Runde gehen.

Auch dieses Mal geht es um einen verzwickten Fall: Susan Ryeland, die „emeritierte Lektorin“ Alan Conways, dem Erfinder Atticus Pünds, verlässt Kreta, wo sie ein kleines Hotel führt, um Lawrence und Pauline Treherne zu helfen – eine willkommene Flucht nach England, das sie vermisst – und so richtig rund läuft ihr neues Leben mit Lebensgefährte Andreas, Gästen, Angestellten und ähnlichen Störfaktoren ohnehin nicht. Als also die Trehernes von ihrer verschwundenen Tochter Cecily erzählen, Susan mit einer netten Gage ködern und zudem ein Zusammenhang zu einer von ihr lektorierten Geschichte im Raume steht (Hat Cecily bei der Lektüre Informationen gefunden, mit denen sie jemandem zur Gefahr werden konnte?), ist Susan flugs in Suffolk und stürzt sich in Ermittlungen, bei denen sie schnell in Gefahr gerät.

Diese kurze Handlungsskizze soll genügen, handelt es sich doch um einen Krimi, bei dem man nicht zu viel verraten sollte – und der auch schwer genauer zu beschreiben ist. Einmal mehr bedient sich Horowitz des Mittels einer Binnen- und einer Rahmenhandlung (Susan liest die alte Geschichte zur Klärung des aktuellen „Falls“), was die Geschichte an sich schon vergleichsweise komplex macht, was jedoch keinesfalls als grundsätzlicher Nachteil zu deuten ist. Nur kurz lässt er sich Susan ausheulen, warum und inwiefern ihr neues Leben ihr nicht gefällt, bevor er sie nach wenigen Seiten in die Handlung stürzt. Auch Tempo ist also (zunächst) kein Problem. In puncto Schreibstil bzw. Erzählkunst nimmt Horowitz Anleihen bei Agatha Christie: Der zügige Schubs des Lesers in die Handlung wird abgefangen durch eine „mäandernde“ Erzählweise. Wenn man das mag, wird man die Geschichte als geschickt konstruiert wahrnehmen, andernfalls als verworren und langweilig. Erst ziemlich zum Ende hin werden die Stränge zusammengeführt und es kommt wieder Tempo auf. Manches ist – ganz in alter Krimitradition – als surreal bzw. bizarr zu bezeichnen, und zwar sowohl die Figuren als auch manche Schilderung von Geschehnissen. Man muss „Die Morde von Pye Hall“ nicht kennen, um mitzukommen, denn die Basis für das Verständnis sind jeweils die eingewebten Pünd-Geschichten und die sind unabhängig voneinander. Allerdings ist es ratsam, mit der ersten Geschichte um Susan anzufangen, weil sie um einiges besser war, auch wenn mir der „Nebenbemerkungs-Stil“ weiterhin gut gefällt, hat sich Horowitz hier mit mehr Füllstoff vertändelt. Für den bislang schwächsten Horowitz, den ich gelesen habe, gibt es 3,5 Sterne, die ich nur zu gern aufrundete, aber hier muss letztlich jeder selbst entscheiden, ob die Lektüre lohnt oder nicht.