Zwei sehr raffinierte Krimis zum Preis von einem

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luisa_loves_literature Avatar

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Wenn ein Kriminalroman gut gemacht ist, dann ist das ein feine Sache und „Der Tote aus Zimmer 12“ von Anthony Horowitz ist eine richtig feine Sache - schon allein weil es hier zwei ganz famose und intelligente Krimis zum Preis für einen gibt, denn zur Aufklärung des eigentlichen Kriminalfalls bedarf es der Lektüre des Romans „Atticus unterwegs“ von Alan Conway. Leider gibt es weder den Autor noch den Krimi in der Realität, weshalb Anthony Horowitz ganz flugs einfach mal einen Roman im Roman erschaffen hat, der dem Leser in voller Länge präsentiert wird, und sich nicht minder spannend als die Aufklärung des eigentlichen Verbrechens liest.

Aber zurück zum Ausgangspunkt: Die Lektorin Susan wird von einem wohlhabenden Hoteliers-Ehepaar beauftragt, das Verschwinden ihrer Tochter Cecily aufzuklären. Diese scheint durch die Lektüre von „Atticus unterwegs“ herausgefunden zu haben, dass in einem acht Jahre zurückliegenden Fall der falsche Täter verurteilt wurde, während der wahre Mörder noch auf freiem Fuß ist. Susan ist prädestiniert in diesem Fall zu ermitteln, denn sie war die Lektorin der Romanreihe des mittlerweile verstorbenen Alan Conways – und so beginnt eine hochspannende, äußerst vergnügliche, unterhaltsame und völlig unvorhersehbare Mörderjagd, die auch gewiefte und erfahrene Krimileser herausfordert. Hier passt einfach alles, denn alles ist schlüssig, vieles vernetzt, jeder hat etwas zu verbergen, alle sind verdächtig und das Setting, ein gediegenes Landhotel mit einer sehr überschaubaren Anzahl von Personen, gereicht jedem cosy crime zur Ehre. Hinzu kommt das fantastische und überaus gelungene Spiel mit dem Kriminalroman im Kriminalroman, der als Wegweiser zur Lösung dienen mag. In diesem eingebetteten Roman wird der Leser in die Welt eines verblassenden glamourösen Hollywood-Stars und die 1950er Jahre entführt. „Atticus unterwegs“ strotz vor schlauen und gelungenen Anspielungen auf das goldene Zeitalter der Krimiliteratur und kann so in vielerlei Hinsicht als eine fast liebevolle Hommage an Agatha Christie gewertet werden. In der Geschichte um Atticus finden sich zahlreiche wunderbare Anspielungen, die hier um des Lesevergnügens willen nicht aufgelistet werden sollen, aber alle schließlich im Roman von Susan aufgeklärt werden (am Schluss vielleicht ein bisschen zu komprimiert auf einen Schlag, vermutlich auch in dem Anliegen die Gewitztheit des Autors Horowitz unter Beweis zu stellen – diese ist absolut unbestritten). Da man als Leser weiß, dass der Roman im Roman die Lösung des Rätsels beinhaltet, begibt man sich mit viel Eifer auf eine hinreißende Schnitzeljagd, nimmt mit Begeisterung die möglichen Querverbindungen wahr und versucht dem Mörder in „Atticus unterwegs“ auf die Schliche zu kommen, während man zugleich mit Susan Cecilys Verschwinden entschlüsseln und den noch freien Mörder zu enttarnen versucht. Die Schilderung von Susans Aufklärungsarbeit wirkt wie ein moderner, augenzwinkernder Kommentar auf „Atticus unterwegs“, aber auch auf Agatha Christie & Co. Auch wenn Susan sich immer wieder gegen bestimmte Elemente des klassischen Kriminalromans wehrt, werden genau diese Aspekte eingebunden und umgesetzt – ein großer Spaß mit ungemein hohem Unterhaltungswert.

„Der Tote aus Zimmer 12“ ist ein im besten Sinne altmodisch wirkender, aber ungemein moderner, raffinierter, kurzweiliger Roman, von leichter Hand geschrieben und mit sehr viel mehr literarischem Anspruch als das Genre des Kriminalromans oftmals verheißt. Eine absolut lohnenswerte Leseempfehlung!