Wiederholte Geschichte

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cara_11 Avatar

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Isabel Allende zählt zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen. Sie schafft es, jeden Protagonisten mit wenigen Worten so detailgetreu darzustellen, dass man meinen könnte, die Person selbst kennen gelernt zu haben, mit all ihren Schwächen, Ängsten und Stärken, ohne dabei ins Kitschige oder Melodramatische abzugleiten. Dabei haben die meisten ihrer Geschichten eine Verknüpfung mit Mittelamerika, der Region, der sie stark geprägt hat.

In der vorliegenden Leseprobe erfahren wir von zwei Kindern, denen in jungen Jahren unvorstellbares Leid widerfährt. Da ist einerseits Samuel Adler, ein jüdischer Junge, der 1938 in Wien von seiner Mutter einem Flüchtlingskindertransport nach England übergeben wird - und andererseits die kleine Laetitia, die in El Salvador mit ihrer Familie beheimatet ist und in dem Gemetzel von Mozote 1981 ihre gesamte Familie mit Ausnahme ihres Vaters verliert, da sie genau in diesen Tagen in einer Klinik in San Salvador behandelt wurde.
In ihrer typischen, flüssigen, narrativen Sprache, die ob der fehlenden dramatischen Ausschmückungen gegenüber den gewohnten Belletristik-Romanen fast emotionslos wirkt, schildert Allende diese Ereignisse und auch den Moment, als Samuel vom Tod seiner Eltern in den Konzentrationslagern der Nazis erfährt.
Dramatisch, dass obwohl fast 50 Jahre zwischen den geschilderten Ereignissen liegen, sich die Geschichte immer wieder zu wiederholen scheint, dass Kinder Wurzeln, Heimat und Familie in Kriegswirren verlieren und sich in eine unbekannte Zukunft flüchten müssen. Auch heute, weitere 43 Jahre nach dem Gemetzel von Mozote, müssen Kinder aus der Ukraine, aus Gaza, aus Syrien flüchten und alles zurück lassen.
Die Seiten der Leseprobe haben mein Interesse an der restlichen Geschichte geweckt, ich hoffe, bald die gesamte Lebensgeschichte von Samuel und Laetitia zu erfahren. Der Klappentext gibt jedenfalls Hinweise darauf, dass die weitere Geschichte noch eine Flucht (von Laetitias Tochter oder Enkelin) beinhaltet.