Zunächst spannend, später schockierend

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romy_abroad Avatar

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Der Thriller "Der Würfelmörder" beginnt mit dem Mord an Inga Dahlberg im Jahr 2007. Sie wird brutal überfallen, vergewaltigt, und danach ertränkt. Sie selbst weiß, dass es ihr Geliebter war, der sie getötet hat - die Ermittlungsbehörden haben jedoch keine Ahnung, dass sie den Mörder in ihren eigenen Reihen suchen müssen, denn Ingvar Molander ist selbst Kriminaltechniker. Natürlich sorgt er dafür, keine Spuren zu hinterlassen und ein wasserdichtes Alibi vorweisen zu können. Außerdem haben seine Kollegen gerade mehr als genug zu tun: Es ist das Jahr 2012, innerhalb nur weniger Tage kommt es zu drei scheinbar unzusammenhängenden Tötungsdelikten. Alle drei äußerst brutal, teilweise kaltblütig geplant und jedesmal so ausgeführt, dass es keine Spuren gibt, die die Ermittler zum Täter führen könnten. Auch die Opfer könnten unterschiedlicher kaum sein: ein Flüchtlingsjunge, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, ein Verkäufer an der Fleischtheke eines Supermarktes. Wo ist die Verbindung? Gibt es überhaupt eine? Das Team tappt im Dunkeln, und vor allem Fabian Risk, der insgeheim gegen seinen eigenen Kollegen ermittelt, ist hin und her gerissen.

Das erste Drittel des Buches erschien mir recht durchschnittlich: brutaler Mord, polizeiliche Ermittlungen, persönliche Verstrickung. So weit so gut, aber auch nichts Besonderes. Doch etwa nach der Hälfte nimmt der Thriller Fahrt auf: immer mehr Leichen, immer mehr Frage. Doch was fehlt, sind Antworten. Trotzdem kommen weitere Handlungsstränge hinzu, neue Perspektiven von Tätern und Opfern werden eröffnet, allerdings ohne dass der Leser wirklich weiß, an wessen Gedanken und Gefühle er gerade teilhaben darf. Teilweise werden diese Unklarheiten aufgelöst, zum Beispiel wenn die nächste Leiche auftaucht. Manche Dinge bleiben allerdings auch im Dunkeln und man kann nur spekulieren, was genau die Verbindung zur Haupterzählung ist. Hin und wieder werden auch Personen eingeführt, die in der Vergangenheit scheinbar eine wichtige Rolle gespielt haben oder in entscheidende Ereignisse verwickelt waren - die Details bleiben dem Leser leider verborgen. Eine kurze Recherche ergibt den Grund dafür: "Der Würfelmörder" ist tatsächlich der vierte Band der "Fabian Risk"-Reihe und baut thematisch entsprechend auf die ersten drei Bücher dieser Reihe auf. Als Teil dieser Reihe ist das Buch bereits unter dem Titel "10 Stunden tod" erschienen. Die Neuauflage als "Der Würfelmörder" bildet zusammen mit "Die Rückkehr des Würfelmörders" eine eigene Dilogie - so möchte es der Verlag jedenfalls darstellen. Mir als Leserin erscheint es jedoch problematisch, vor allem den vierten Band so von der Vorgeschichte abzutrennen. Ich habe normalerweise kein Problem damit, wenn man lange rätseln muss oder sich bis zum Schluss gedulden, bis alles Sinn macht. Hier ist es allerdings so, dass viele Hintergrundinformationen fehlen und man deshalb den Eindruck bekommt, es gäbe logische Lücken. Auch die Aufklärung am Ende ist auf ein Minimum beschränkt - wobei das natürlich Sinn macht, wenn man bedenkt dass der nächste Band "Die Rückkehr des Würfelmörders" heißt. Trotz dieser inhaltlichen Versäumnisse hat mir "Der Würfelmörder" sehr gut gefallen. Vor allem die zweite Hälfte ist wirklich spannend geschrieben, die Entwicklung ist rasant aber gerade noch realistisch. Auch wenn sich die Ereignisse zu überschlagen scheinen nimmt sich der Autor Zeit, alle Handlungen detailgetreu wiederzugeben, wodurch zu keiner Zeit ein Gefühl der Hast aufkommt. Stattdessen fiebert man mit den Ermittlern und Angehörigen mit und ist bei jeder Wendung aufs Neue schockiert. An atemberaubenden und teilweise auch brutalen Ideen mangelt es Ahnhem nicht, wobei selbst die Morde nicht unnötig blutig beschrieben werden. Wer Thriller mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Rückblickend ist die Erzählung unglaublich vielschichtig und nimmt eine ganze Reihe an Themenkomplexen auf, die kaum alle in einem Buch Raum finden. Entsprechend der starke Bezug auf die ersten Bände - leider ein Nachteil, wenn man diese nicht kennt.