am Rande des Dorfes

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„Die Erinnerung muss als heilloses Durcheinander gesehen werden.“ (S. 54)

Monika Helfer erzählt die Geschichte ihrer Familie. Von ihrer viel zu schönen Großmutter Maria, die, als ihr Mann Josef in den Krieg eingezogen wird, mit den vier Kindern allein zurückbleibt. Die Familie lebt am Rande des Dorfes, nur „die Bagage“ genannt, arm und sicherlich in krumme Geschäfte verstrickt. Als Maria in Abwesenheit ihres Mannes schwanger wird, richtet sich die Stimmung endgültig gegen sie.

In dieses Buch sollte man definitiv erstmal reinlesen, ob einem der Schreibstil zusagt. Die Autorin schreibt, wie man vielleicht sprechen würde. Teilweise abgehackt, dann in langen verschachtelten Gedankengängen. Oft werden Fäden fallen gelassen, wieder aufgegriffen, mit der Gegenwart verknüpft. Das macht es anstrengend, löst aber auch einen Lesesog aus. Gleichzeitig wird die Vergangenheit betrachtet, wie sie laut der Erzählungen der Familienmitglieder wohl hätte sein können und was aus den Personen geworden ist. Die sehr traurige Geschichte von Missgunst und Misstrauen wird nüchtern erzählt, ohne viele Emotionen, sehr verdichtet. Gerade nal 159 Seiten braucht die Autorin für an die 100 Jahre Familiengeschichte.

Sehr deutlich wird Marias Zwickmühle. Sie ist in Abwesenheit ihres Mannes abhängig von der Gunst eines männlichen Versorgers, der nicht so wohlmeinend ist, wie ihr Mann sich das vorstellt. Im Dorf gilt sie so oder so als Hure. So schön zu sein, kann ja nicht normal sein.

Ein trauriges, berührendes, unbedingt lesenswertes Buch.