Berührend von Anfang bis Ende

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kainundabel Avatar

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Das Maul zerreißen sie sich, die Leute im Dorf, dort im Bregenzerwald, ganz hinten im Tal. Über die „Bagage“, die noch weiter draußen lebt, ganz weit draußen, außerhalb des Dorfes. Und es gibt viel zu reden, viel Böses, Niederträchtiges. Über Josef, den Vater, mit seinen undurchsichtigen Geschäftchen, über die viel zu große Schönheit Marias, der Mutter. Über die Bevorzugung des Vaters, der trotz Kriegseinsatzes immer noch lebt. Er war im Krieg, als Maria die kleine Margarete zur Welt bringt und deshalb redet Josef mit dem Kind kein einziges Wort, nennt niemals ihren Namen, berührt sie nie, schlägt sie nie, weil er sie ja dann berühren müsste. Margarete ist die Mutter von Monika Helfer, und die wiederum ist die Autorin dieser zutiefst berührenden Geschichte ihrer Familie. Leise kommt diese Romanbiografie daher und trotzdem mit großer Wucht. Man liebt, leidet, hofft mit der „Bagage“, mit der starken Mutter, auf die der Bürgermeister aufpassen soll, während ihr Ehemann an der Front ist. Für diesen Schutz fordert der Bürgermeister Gefälligkeiten ein, denen sich Maria vehement widersetzt. Die Kinder, allen voran Lorenz, sind ihr dabei Stütze und Halt. Sie sind es auch, wenn der Pfaffe des Dorfes gegen sie von der Kanzel wütet, ihnen die Hölle aufs Haupt wünscht, wenn der Lehrer vor der Klasse verkündet, Katharine, die Tochter, könne nichts dafür, dass ihre Mutter eine Hure sei. Der Mikrokosmos des Dorfes ist zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine Mischung aus Intoleranz, Gehässigkeit und restriktiven Ansichten, die gegen alles Anderssein rigoros zu Felde zieht.
Es ist ein literarisches Juwel, dieses Buch, intensiv erzählt, kunstvoll komponiert, berührend von Anfang bis Ende. Unbedingt lesenswert!