Eine stille Familiengeschichte am Rande eines Dorfes

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evelynm Avatar

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„Die Baggage“, so wird die Familie Moosbrugger von den Bewohnern des Dorfes im dunklen, weit abgelegenen Teil des Tales genannt. Josef, Maria und ihre Kinder sind arm und führen ein ganz zurückgezogenes und bescheidenes Leben. Einzig die Schönheit von Maria sticht heraus und sorgt für Neid und böse Gerüchte im Tal. Vorurteile werden besonders gepflegt und es brodelt im Dorf. Die Männer sind auf Josef neidisch und würden ihm nur allzu gerne seine Maria ausspannen. Dann kommt der erste Weltkrieg sogar ins das abgeschiedene Tal und Josef wird eingezogen. Bevor er in den Krieg zieht, nimmt er dem vermeintlich wohlgesonnenen Bürgermeister ein Versprechen ab: er solle auf Maria aufpassen. Ob er seiner Frau misstraut oder eher den Männern im Dorf bleibt offen. Für Maria beginnt eine schwere Zeit mit ihren Kindern ohne ihren Mann, der nebenbei immer irgendwelche Geschäfte am Laufen hatte. Die Familie Moosbrugger hungert und ist auf die Hilfe und Unterstützung des Bürgermeisters angewiesen. Doch ist er so ehrenhaft wie er sich gibt oder verfolgt er ganz andere Pläne? Da taucht urplötzlich ein Fremder auf: Georg aus Niedersachsen.

Die Autorin schreibt so, wie wohl in diesem versteckten, dunklen Tal gesprochen wurde – ohne Punkt und Komma. Dadurch entstehen lange Schachtelsätze, die die Aufmerksamkeit der/s Lesers/in fordern. Das ist zwar anstrengend, aber dafür umso authentischer. Die Geschichte ihrer Großeltern Josef und Maria spielt zu einer Zeit, in der die Menschen bestimmt nicht sehr geschliffen gesprochen haben. Das hatte ich beim Lesen stets im Hinterkopf. Sie hatten ganz andere Sorgen und Ängste. Die Zeitsprünge in der Geschichte haben mich verwirrt und ich musste mich danach erneut auf die vielen Protagonisten einlassen. Kurz dachte ich, dass mir eine Personenliste mit den Verwandtschaftsverhältnissen helfen würde und wollte eine eigene anlegen – habe es dann aber gelassen und mich weitertreiben lassen. So manches Mal hatte ich das Gefühl, dass Monika Helfer mit gegenüber sitzen und die Geschichte mir persönlich erzählen würde, denn die Sprache ist sehr direkt, bisweilen nüchtern und kühl. Die einzelnen Personen konnte ich mir meist bildlich vorstellen und der eine oder andere – wie z.B. der Postbote blieben mir in guter Erinnerung. Jedoch fehlten mir hin und wieder Emotionen, von denen die Protagonisten bestimmt auch geleitet wurden. Diese konnten mich leider nicht erreichen und so empfinde ich den Roman als Erzählung und weniger als Familiengeschichte. Ganz glaubhaft und nachvollziehbar beschreibt die Autorin dagegen die Vorbehalte, Vorurteile und den „Neid“ der Bewohner des Tales, die die Moosbrugger ächten und wenig von ihnen halten. Sie grenzen sie aus und schauen auf sie herab. Dies ist auf den Seiten deutlich zu spüren und machte mir ein beklommenes Gefühl.

Was mir in dem Buch gefehlt hat, war die Geschichte von Margarethe, der Mutter von Monika Helfer. Sie bleibt hinter Josef, Maria und ihren Geschwistern leider sehr zurück und blass. Gerade weil Grete die von ihrem Vater völlig ignorierte und ungeliebte Tochter ist, hatte ich mir mehr von ihrer Lebensgeschichte versprochen. Sie wuchs schließlich im selben dunklen Tal wie ihre Geschwister auf und hatte dabei doch eine ganz andere, eigene Lebensgeschichte durch die üblen Gerüchte im Dorf. Meine Erwartungshaltung war eine andere, was jedoch der Familiengeschichte von Monika Helfer keinen Abbruch tut. Es kann gut sein, dass die fehlenden Einblicke in Gretes Leben von ihrer Tochter gewollt zurück gehalten wurden, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie in der Familie und besonders bei ihrem Vater keine große Rolle gespielt hat. Andererseits blitzt die große Liebe von Maria zu ihrer Tochter Grete zwischen den Zeilen durch.
Eine leise, kleine Familiengeschichte, die von ihrer Authentizität lebt und mich gut unterhalten hat!