Kleine Schritte

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bobbi Avatar

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In seinem neuen Roman erzählt der Unternehmer und Extremsportler Jochen Schweizer eine feine Parabel auf die Selbstbestimmtheit. Der junge, entwurzelte Sverir trifft nach zahlreichen Enttäuschungen in seinem Leben auf den alten und weisen Hakon – in einer urigen Hütte in der norwegischen Natur, der Sturm tobt. Nach und nach öffnen sich die zwei Unbekannten und müssen erstaunt feststellen, dass sie sich ähnlicher sind als vermutet. Sie erzählen sich in fünf Teilen ihre bewegende Lebensgeschichte und beide sind leidenschaftliche Kanuten – Hanok ist sogar Extremsportler, hat den Nordpol mit dem Kanu umrundet, dabei aber große Verluste erlitten. Für Sverir bedeutet sein Kanu Lebenssinn, eine bedeutsame Aufgabe und ausgiebiges Training.

Unterteilt in „Zwischenspielen“ gibt der über 90-jährige Hakon dem Jungen in der Gegenwart Ratschläge und selbsterfahrene Weisheiten für ein selbstbestimmtes Leben mit auf den Weg: Wie erreiche ich meine Ziele? Was erwarte ich von meinem Leben? Was verleiht mir einen wahren Sinn? Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Diese Kapitel sind berührend, aber insgesamt hat mir etwas der Tiefgang im Selbstfindungsroman gefehlt, viele kluge Sätze waren mir schon bekannt und es dreht sich am Ende doch um extreme sportliche Ziele, die mit vielen kleinen Schritten erreicht werden können.

Trotzdem ist die leichtfüßig und klar geschriebene Geschichte unterhaltsam und bewegend, gerade an den detailliert und atmosphärisch geschilderten Erlebnissen bei Hakons Nordpol-Umrundung und seinem traurigen Tiefpunkt danach. Es ist vorstellbar, dass Jochen Schweizer Erfahrungen aus seinen Extremsport in diesen lebensklugen Roman eingeflochten hat und trotzdem bleibt es eine universelle Geschichte, die das Leben schreibt. Ein schöne Parabel für einen kalten Winterabend – zum Träumen und Hoffen, der aber an der Oberfläche bleibt.

„Wir definieren uns über das, was wir haben. Aber was sind wir noch, wenn wir das alles verlieren? Dabei lässt sich jeder Verlust auch als Chance begreifen. Als eine Chance, sich neu zu definieren. Neue Wege einzuschlagen und eine neue Seite an sich selbst kennenzulernen. Viel zu selten begreifen wir das von allein. Meistens ist es das Schicksal, das uns zwingt, die Perspektive zu wechseln.“ S. 57