Ein aufgefrischter Bestseller

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emmmbeee Avatar

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Szene in der Psychiatrie: Eine Nachtschwester wird zur unfreiwilligen Zuhörerin der Patientin Heleen, die sich endlich alles von der Seele reden will. In armen Verhältnissen aufgewachsen, arbeitet sich das Mädchen allmählich von der ausgenutzten Hilfskraft empor zur höheren Gesellschaft. Ein wahres Stehaufweibchen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das ohne Männer nur schwer möglich.
Auch der Protagonistin haben sie immer wieder weitergeholfen. Und doch geht es hier nicht um ungezügelte Ausschweifungen. Letzten Endes dreht sich alles um die jüngste Schwester Lientje und um Heleens große Liebe, Hannes. Und gerade diese Liebe wird ihr zum Verhängnis.
Auch wenn man heute traurige oder deprimierte Frauen nicht mehr in Anstalten sperrt, so ist der Stoff doch immer noch sehr aktuell. Denn Armut und Kümmernisse aus Liebe wird es immer geben. Ich habe Mitleid mit der Erzählerin empfunden, und meine Sympathie gehört hauptsächlich ihr.
Der Roman ist spannend geschrieben, der Übersetzungs-Schreibstil frisch und sehr gegenwartsnah, der Spannungsbogen hält sich von der ersten bis zur letzten Seite. Verwirrend beim Lesen waren manchmal die Namen: Lientje, Heleens Schwester, und ihr eigener Kosename Leentje. Aber letzten Endes weiß der Leser, wer gemeint ist. Für den Schluss macht man sich seine Vorstellungen, ist dann aber doch überrascht.
Der Roman „Die Beichte einer Nacht“ war vor rund 90 Jahren bereits ein großer Erfolg auf dem Büchermarkt. Er verspricht, in der neuen deutschen Übersetzung durch Eva Schweikart wieder ein Bestseller zu werden. Judith Belinfante ist die Enkelin der Autorin. Ihr Nachwort erklärt manche Passagen und führt Parallelen zum interessanten Leben von Marianne Philips auf. Es gibt fantastische niederländische Gegenwartsautoren, doch solche der Vergangenheit kennt man leider fast keine.