Ein Frauenleben

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petris Avatar

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Es ist Nacht in der Nervenheilanstalt. Alle schlafen, die einzige ruhige Zeit des Tages im Saal mit den Frauen, die an den unterschiedlichsten psychiatrischen Störungen leiden. Vielleicht wurde die eine oder andere aber auch einfach nur hierher abgeschoben. Eine Schwester hält Nachtwache, die Zeit vertreibt sie sich mit Stricken. Eine der Patientinnen, Heleen kann nicht schlafen, dafür kann und will sie endlich reden. Wenn sie beim Arzt ist, verstummt sie, nichts bringt sie mehr heraus. Heute aber setzt sie sich zur Nachtschwester, bittet sie, bleiben zu dürfen. Dann beginnt sie in einem Monolog zu erzählen, ihre ganze harte Lebensgeschichte voller Höhen und Tiefen. Warum sie in der Klinik ist wird immer wieder angedeutet, etwas Schreckliches muss passiert sein, und es hat mit ihrer kleinen Schwester Lentje zu tun.
Vom ersten Wort an gefesselt folgen wir der Erzählerin durch ihr Leben. Klar und sachlich, gleichzeitig hochliterarisch erzählt sie ihre Lebensgeschichte. Wir leiden mit ihr mit, haben Hoffnung, wenn es besser wird, wollen sie schütteln und aufwecken, als sie sich immer mehr in ihren Ängsten und ihrem Minderwertigkeitsgefühl verliert.
Dass dieser Roman in vergangenen Zeiten spielt wird schnell klar, denn große Schlafsäle in Nervenkliniken gibt es schon lange nicht mehr. Dennoch wirkt er zu keiner Sekunde unmodern oder nicht mehr relevant, im Gegenteil. Er berührt auch heute noch und reißt mit.
Im sehr interessanten Nachwort aus der Feder der Enkelin erfahren wir auch:
„Meine Großmutter war zu ihrer Zeit eine schwer zugängliche Autorin, ihr Schaffen wurde bewundert und geschmäht, (…) Anders als um 1930 ist in der gegenwärtigen Literatur die Erkundung der Psyche bis in die letzten Winkel keine Seltenheit mehr, und der Roman „Die Beichte einer Nacht“ ist heute, gut neunzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen, noch immer modern. Marianne Philips war ihrer Zeit voraus und kann nach wie vor als interessante Autorin gelten.“ S. 276
Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich kann diesen fesselnden und berührenden Roman nur wärmstens empfehlen.