Eine erschreckende Lebensgeschichte

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Das Buch ist bereits vor über 30 Jahren geschrieben worden. An einigen Stellen wird das offensichtlich. Die Krankensäle, die es damals gab, existieren gottlob heute nicht mehr, es gibt Krankenzimmer mit weniger Patienten, es sind Kranke und keine Verrückten. Heleen, die Protagonistin des Buches bemängelt, daß sie die ganze Zeit den unterschiedlichen Gepflogenheiten der vielen Patienten ausgesetzt ist, niemals kann sie abschalten oder Ruhe und Schlaf finden.

In zwei solcher unruhigen Nächte beginnt sie, einer Nachtschwester ihr Leben zu erzählen in der Hoffnung, daß diese ihr zuhört und sie nicht zurück in den Saal schickt. Heleen spricht nur von sich und ihrem Leben, ihren Erwartungen, ihren Hoffnungen, ihrem Abweichen vom rechten Weg und warum sie letztendlich in der Nervenklinik untergeracht wurde. Es ist ein Monolog. Andere Personen kommen nicht zu Wort.

Aufgewachsen als Älteste in einer kinderreichen Familie, die in großer Armut lebte, wurde auf Heleen nie Rücksicht genommen. Keine Wärme, keine Anerkennung, stattdessen immer nur Arbeit für die Familie, vor allem für die jüngeren Geschwister, insbesondere den Nachkömmling Lientje, die jüngste Schwester. Es gelingt ihr, eine Arbeitsstelle in einer anderen Stadt zu finden und aufgrund ihrer Schönheit findet sie einen Weg, sich Vorteile durch Männerbekanntschaften zu verschaffen. Einer unglücklichen Ehe folgt die Trennung und doch noch das große Glück in der Bekanntschaft mit Hannes, ihrer großen Liebe. Aber mit dem Älterwerden verändert sich ihr Wesen, die Schönheit schwindet und damit ihr Vertrauen in Hannes' Liebe zu ihr. Damit beginnt ihr großes Unglück.

Ihre Erzählung holt längst vergessene Erinnerungen zurück und setzt das Lebenspuzzle zusammen. Es ist ein erschütternder Bericht, in dem der aufmerksame Leser schnell herausfindet, daß Heleen, gefangen in einer großen Sehnsucht nach einem besseren Leben und dem Wunsch, den richtigen Weg zu finden, aber zuletzt in einer tiefen Niedergeschlagenheit und Depression gefangen, ihrem Unglück nicht wird ausweichen können.

Wie die Enkelin der Autorin im Anhang schreibt, hat Marianne Philips selbst unter Psychosen gelitten und Zeiten in einer Nervenklinik verbracht. Mit diesen Erfahrungen war es ihr möglich, schon vor so vielen Jahren dieses unglaubliche, sehr offene und ehrliche Buch zu schreiben, das ich als unbedingt lesenswert empfehlen möchte.