Unbedingt lesen!!!

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mike nelson Avatar

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"Die Beichte einer Nacht" ist ein wahres Kleinod aus dem Jahre 1930. Schwamm drüber, dass es sich eigentlich um eine Beichte handelt, die sich über zwei Nächte zieht. Leentje ist Patientin in einer psychiatrischen Anstalt und erzählt der Nachtschwester ihr Leben - und wir sind, genau wie die Nachtschwester Zeugen dieses berührenden Berichtes. Einen Freispruch wird Leentje zwar nicht erhalten; gleichwohl verleiht der Erzählprozess dem eigenen Leben Wirklichkeit; die Selbstvergewisserung und Selbstdistanz im Erzählen ist fast schon ein therapeutischer Prozess. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, mit Kinderträumen ausgestattet, die immer wieder einen Zusammenstoß mit der Realität erleiden; Leentje, eines von 10 Kindern, hat sich wegen der Kraftlosigkeit der Mutter um die Nachzüglerin Lientje zu kümmern. Mit großer Intensität lässt Marianne Philips ihre Protagonistin das Frauwerden schildern: "... und man merkt, dass man völlig anders geworden ist, dass man für etwas gemacht ist, und man sucht in alle Richtungen wofür genau." Leentje plagt im weiteren der Zweifel: "Niemand hat Schuld an meinem Leben, nur ich selber." Zur Frau geworden verlässt Leentje das Elternhaus, verdingt sich als Verkäuferin, um schließlich gut - aber nicht verliebt - einzuheiraten. Als die Mutter erkrankt, nimmt sie ihre kleine Schwester Lientje mit zu ihrem älteren Ehemann. Nach dem Scheitern der Beziehung kehrt sie mit ihrer Schwester zurück ins einfache Leben und verliebt sich in Hannes. Leentje verzweifelt zuehmend an ihrem Leben, hat das Gefühl, weder ihrer Schwester noch Hannes gerecht werden zu können. Das eigene Älterwerden neben ihrer jungen Schwester und die Eifersucht nagen an ihr. Leentje leidet an vermeintlich falsch getroffenen Lebensentscheidungen. Die Last der Wahl, so scheint es ihr, ist einem erst durch den Tod genommen: "Darum ist es vielleicht gut, dass wir sterben dürfen, ohne selber darüber zu entscheiden. Dabei zumindest haben wir keine Wahl, man stirbt nicht, man wird gestorben. So wie man geboren wird - ohne jedes Wissen oder Wollen."
Ein beeindruckendes Werk mit einem unerwarteten Ausgang, der sich aber dennoch in jeder dieser wunderbar geschriebenen Zeilen andeutet.