Hervorragend recherchiert, informativ und berührend - uneingeschränkte Leseempfehlung!

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Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Sternstunden der Medizin
Berlin, 1831. Seit Wochen geht die Angst um, die Cholera könne Deutschland erreichen – und als auf einem Spreekahn ein Schiffer unter grauenvollen Schmerzen stirbt, nimmt das Schicksal seinen Lauf. In der Charité versuchen Professor Dieffenbach und seine Kollegen fieberhaft, Überträger und Heilmittel auszumachen: ein Wettlauf gegen die Zeit. Während die Ärzte um das Überleben von Tausenden kämpfen, führen drei Frauen ihren ganz persönlichen Kampf: Gräfin Ludovica, gefangen in der Ehe mit einem Hypochonder, findet Trost und Kraft in den Gesprächen mit Arzt Dieffenbach. Hebamme Martha versucht, ihrem Sohn eine bessere Zukunft zu bieten, und verdingt sich im Totenhaus der Charité. Die junge Pflegerin Elisabeth entdeckt die Liebe zur Medizin und - verbotenerweise - zu einem jungen Arzt ...
Die Charité - Geschichten von Leben und Tod, von Hoffnung und Schicksal im wohl berühmtesten Krankenhaus Deutschlands.


Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem fulminanten Romandebüt «Die Tochter des Salzsieders» ist sie eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen historischer Romane. Ulrike Schweikert lebt und schreibt in der Nähe von Stuttgart.


Allgemeines
Erschienen am 26.06.2018 im Rowohlt Taschenbuch Verlag als broschiertes TB mit 496 Seiten
Gliederung: Prolog – Drei Bücher mit insgesamt 31 Kapiteln – Epilog – Dichtung und Wahrheit - Danksagung
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Berlin in den Jahren von 1831 bis 1847


Zum Inhalt
Drei weibliche Hauptfiguren aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, zwei davon fiktiv, sind in die Handlung eingebunden, die das Forschen und Wirken der Mediziner an Deutschlands berühmtestem Krankenhaus, der Berliner Charité, in den Jahren von 1831 bis 1847 schildert. Gräfin Ludovica von Bredow fühlt sich in der Vernunftehe mit ihrem Mann intellektuell unterfordert, sie ist an Medizin interessiert und frustriert, dass ihr als Frau das Medizinstudium verwehrt bleibt. Mit ihrem Geld fördert sie jedoch diverse Projekte an der Charité, darunter die Errichtung einer Schule für Pflegekräfte, denen es bis dahin an jeglicher fachlicher Ausbildung gemangelt hat. Die junge Elisabeth Bergmann stammt aus einfachen Kreisen, aber auch sie ist an Medizin interessiert. Da sie nicht heiraten, sondern selbstbestimmt leben möchte, arbeitet sie an der Charité als „Wärterin“ (Pflegerin) und schließt sich später den Diakonissen der Organisation von Pastor Theodor Fliedner an, die als qualifizierte Pflegerinnen an Krankenhäusern arbeiten. Martha Vogelsang, eine historisch verbürgte Romanfigur, arbeitet zunächst als freiberufliche Hebamme, doch dann wechselt sie als Sektionsassistentin zur Charité. Diese drei Frauen erleben die großen medizinischen Herausforderungen der Zeit mit: die verheerende Cholera-Epidemie des Jahres 1831 und die Versuche der Ärzte, durch Operationen Leben zu retten - Versuche, denen durch die vor 1847 nicht gegebene Möglichkeit effektiver Schmerzausschaltung einerseits und durch den häufig folgenden postoperativen „Wundbrand“ (Sepsis) andererseits enge Grenzen gesetzt sind.


Beurteilung
Der medizinhistorische Roman beschreibt den Stand der Medizin in Deutschland zu Beginn des „Jahrhunderts der Chirurgen“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, kurz vor der Entdeckung der Anästhesie und der Erkenntnis über die elementare Bedeutung von Antisepsis/ Asepsis für den Erfolg der Chirurgie.
Der eigentliche Protagonist ist Johann Friedrich Dieffenbach (1792 – 1847), einer der begnadetsten und vielseitigsten Chirurgen der Zeit. Er führt eine Praxis, gleichzeitig ist er an der Charité als Chirurg tätig und er verfasst mehrere Fachbücher. In der Chirurgie entwickelt er mit vergleichsweise gutem Erfolg neue Methoden, wobei er sich vor allem mit der plastischen Chirurgie sowie mit bis dahin nicht gekannten Techniken zur Behandlung des Schielens und des Klumpfußes befasst. Zusätzlich experimentiert er mit Transplantationen und Bluttransfusionen.
Neben den medizinischen Entwicklungen werden auch die verheerenden Missstände in der Krankenpflege der Zeit und der Beginn eines strukturierten Pflegewesens durch eine systematische Ausbildung von Pflegekräften thematisiert.
Die Schilderung der Zustände in den Operations- und Krankensälen dieser Epoche ist drastisch und schockierend, aber für den nicht allzu sensiblen Leser auch im höchsten Maße fesselnd und informativ.
Die Romanfiguren sind größtenteils historische Persönlichkeiten und die geschilderten Ereignisse sind großartig recherchiert. Zur Auflockerung der höchst interessanten medizinischen Fakten spielt auch das Privatleben der wichtigsten Personen inklusive zweier – ohne Klischees und Plattitüden präsentierten - Liebesgeschichten eine Rolle.
In ihrem Nachwort „Dichtung und Wahrheit“ erläutert die Autorin, an welchen Stellen sie Fiktives in ihren Roman eingebunden hat.


Fazit
Ein hervorragend recherchierter, informativer und sehr berührender Roman über eine der interessantesten Epochen der Medizingeschichte, der vollkommen überzeugt und jedem an der Materie interessierten Leser uneingeschränkt empfohlen werden kann!