Ein Kind gehört zu seinem Vater

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mangobelle Avatar

Von

Der
*** Autor ***
heißt Jamie Frost und er legt hier seinen zweiten Roman vor. Sein Erstling „Keiko“ soll auch schon ein Bestseller sein, wurde aber von mir nicht gelesen. Wie auch „Die chinesische Sängerin“ spielt Keiko in Seattle, allerdings während des Zweiten Weltkriegs und damit rund zehn Jahre später als dieses Buch hier. Der Autor selbst lebt in dieser Stadt und hat auch chinesische Vorfahren. Man könnte also auf die Idee kommen, dass er weiß, wovon er schreibt.

Die
*** Handlung ***
Ist zweigeteilt. Einmal erzählt sie die Geschichte von William Eng, einem chinesisch-stämmigen Jungen, der in einem katholischen Waisenhaus am Rand von Seattle aufwächst. Er ist vor fünf Jahren dorthin gekommen, kurz nachdem man seine Mutter bewusstlos aus der gemeinsamen Wohnung gebracht hat. Dieser Teil der Geschichte spielt 1934, was für den jungen Protagonisten bedeutet, dass er nicht nur ein strenges Regiment in der christlichen Einrichtung zu fürchten hat, sondern als „Farbiger“ auch ganz unten in der Hierarchie ist. Einzig der Indianerjunge Sunny, der beim Frühstück immer die letzte Portion samt Käfern erhält, steht noch „unter ihm“. Beim einzigen Ausflug des Jahres glaubt William nun in einer Kinovorschau in der Figur der Willow Frost seine Mutter wiedererkannt zu haben. Gemeinsam mit der blinden Charlotte, die ebenfalls im Waisenhaus lebt, macht er sich auf die Suche nach dem mittlerweile gefeierten Filmstar. Doch die Suche ist nicht ganz ungefährlich – ist Seattle doch noch fest in der Klammer der Großen Depression.
Schließlich gelingt es ihnen wirklich Willow Frost zu treffen und sogar zu sprechen. Und hier beginnt die zweite Handlung, die um 1921 einsetzt, kurz nach der Spanischen Grippe, und in der Willow ihre Geschichte erzählt. Eine Geschichte voller Ausgrenzungen, als traditionell erzogene Chinesin von Einwandereltern, die als Opernsänger selbst in ihrer sozialen Gruppe ganz unten stehen. Dies führt zu Ausgrenzungen, Erniedrigungen und Einsamkeit. Zudem hat die Epidemie bis auf Willows Mutter die gesamte Familie dahingerafft oder in die Flucht – in andere Teile der USA – geschlagen.
Ob Willow tatsächlich Williams Mutter ist, wird relativ schnell geklärt. Aber das möchte ich euch nicht verraten!

*** Meine Überschrift***
hab ich gewählt, weil dies das Thema ist, dass mich an diesem Buch am meisten gefesselt hat. Der Stellenwert der Frau, der hier rein auf die Rolle als Brutkasten beschränkt ist. Von allen Seiten (Männern, Frauen, Weißen, Farbigen) erhalten die Protagonisten (!) hier Vorhaltungen, das egal wie mies der Vater bisher war, eine Mutter seine Rolle niemals ausfüllen könne. Eigentlich schon interessant, wie sich in einigen Teilen dieser Welt das Bild mittlerweile um 180 Grad gedreht hat.

Meine
*** Meinung ***
Ich liebe Historische Romane und auch wenn „Die Chinesische Sängerin“ nicht im Mittelalter spielt, wie wohl 90% des Genres, würde ich auch diesen als solchen bezeichnen. Der Autor lässt einfach so viele Fakten wie nebenbei in seine Handlung einfließen. Das Aufkommen der ersten Lichtspielhäuser, der immer fortschreitende Einsatz von Elektrizität im Straßenbild, die Spanische Grippe, die Große Depression (und vor allem das sehr eindrucksvoll), die Rassentrennung (wenn auch nicht offiziell als solche bezeichnet). Man erfährt, was es in den 1920ern hieß Frau zu sein, alleinstehend zu sein und vor allem, was es hieß, Chinesin in den USA zu sein.
Definitiv nicht immer eine leichte Kost, aber mitreißend geschrieben und spannend zu lesen. Die Charaktere sind vielfältig, auch wenn ich – zugegeben – manchmal ganz leicht den Eindruck hatte, nun ist aber zu viel des Guten. Im wahrsten Sinne, denn gerade „die Guten“ wurden doch in einigen Szenen zu herzenswarm dargestellt. Das tut indes der Geschichte keinen Abbruch und hat auch nur minimal gestört.
Die 400 Seiten jedenfalls lesen sich flott, auch dank vieler kurzer Kapitel. Man gewinnt den Eindruck, dass Ford einige Stunden im Archiv zugebracht haben oder zumindest chinesische Vorfahren mit einem guten Gedächtnis und einen großen Hang zum Erzählen haben muss.
Von mir gibt es eine Leseempfehlung und 4,5 Punkte.