Von zwei Geschichten ist eine zu viel

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katicey Avatar

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Mit dem Roman „Die dritte Frau“ findet Wolfram Fleischhauers Bestseller „Die Purpurlinie“ seine Fortsetzung. Er verknüpft historische Geschehnisse aus der Epoche des französischen Königs Heinrich IV. mit einer Liebesgeschichte in der Gegenwart. Der Ich-Erzähler, seines Zeichens ein Autor, will ein Buch schreiben, das auf einem Roman aufbaut, den er bereits vor Jahren geschrieben hat. Heimlicher Hauptdarsteller des Romans von Wolfram Fleischhauer ist allerdings nicht besagter Autor, der namentlich unbekannt bleibt, sondern ein im Louvre ausgestelltes Porträt zweier Damen in erotisch gewagter Pose.
In seinem ersten Roman „La Ligne Pourpre“ versuchte der Autor, die Hintergründe zu ebenjenem Porträt „Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern“ zu enträtseln. In einem Leserbrief wird ihm auf recht arrogante Art und Weise die Überarbeitung seines Erstlingswerks nahegelegt und der Verfasser des Briefes lädt ihn nach Südfrankreich ein, um ihm dazu Einblick in seine Sicht der Dinge auf die historischen Personen seiner Familie zu geben.
Erst sehr viel später nimmt der Autor Kontakt nach Frankreich auf. Der Verfasser des Briefes ist inzwischen verstorben, doch er trifft auf dessen Nichte Camille Balzac d‘Entragues, die zu den Nachfahren einer der Frauen des besagten Protraits gehört. Anfangs nur getrieben von dem Verlangen, durch sie an das historische Material zu gelangen, das ihm die Fortsetzung seines ersten Romans ermöglicht, verfällt der Autor nach und nach der Faszination der geheimnisvollen Camille. Es entwickelt sich ein gefährliches Spiel zwischen beiden, bei dem der Autor letztlich den Kürzeren zieht.

Für mich war „Die dritte Frau“ der erste Roman von Wolfram Fleischhauer. Dass ich das Buch bis zum Ende gelesen habe, lag vor allem daran, dass Fleischhauer virtuos mit Worten umgehen kann. Seine Beschreibungen sind sehr präzise und anschaulich. Ohne langen Schachtelsätze oder andere Stilmittel, die den Lesefluss stören, konnte ich mich durch seine Erzählungen treiben lassen. Lediglich die Zitate und Übersetzungen der fremdsprachigen Originalbelege, die teilweise sogar abgebildet sind, empfand ich als störend.

Der Roman spielt in zwei Zeitebenen: In der Gegenwart recherchiert der Autor mit Hilfe von Camille zu dem Gemälde, während die historischen Fakten in einen Erzählebene in der Vergangenheit gepackt werden. Beides in Kombination begegnete mir in letzter Zeit zwar häufiger, bietet aber nichtsdestotrotz jede Menge Potential. Leider blieb im vorliegenden Buch viel von diesem Potential ungenutzt. Meines Erachtens gelingt es Wolfram Fleischhauer nicht, die Zeitebenen so miteinander zu verbinden, dass sich eine gewisse Spannungs- und Erwartungshaltung aufbaut. Zu wenig sind die Ebenen miteinander verwoben, zu ungleichmäßig sind sie über die Länge des Buches verteilt.

Der historischen Ebene wird zu Beginn des Buches viel Raum gegeben, mir war es sogar zu viel. Die Beziehungen zwischen den historischen Personen sind sehr komplex und der Einstieg fiel mir als Laie recht schwer. Ein kurzer historischer Abriss zu dieser Zeit vor Beginn des eigentlichen Buches hätte hier sehr zum Verständnis beigetragen. Die historische Erzählebene endet ziemlich abrupt im zweiten Teil des Buches zugunsten der ungesunden Beziehung zwischen dem Erzähler und der undurchsichtigen Camille. Auch wenn es hier einige unerwartete Wendungen gab, wurde es für mich nie richtig spannend. Zu aufgesetzt und unstimmig wirkte die ganze Handlung auf mich. Auch die philosophisch-intellektuellen Gespräche, u. a. zu Themen wie der Rolle der Frauen in der Gesellschaft, wirkten mir einfach zu konstruiert.


Die Charakterisierung der Protagonisten in der Gegenwart ist ausreichend plastisch, um sich ein Bild von ihnen zu machen. Allerdings sind mir beide Personen nicht sonderlich sympathisch. Die ständigen Grübeleien des Autors und sein inkonsequentes Verhalten gegenüber Camille sind als Charakter genauso wenig überzeugend wie das sprunghafte Verhalten der unnahbaren Camille selbst.

Während das Interesse des Autors an Camilles historischen Unterlagen problemlos nachvollziehbar ist, frage ich mich, woher das geradezu obsessive Interesse von Camille am Autor kommt und wieso sie so vehement versucht, ihm ihre ausschließlich feministische Sicht auf das Gemälde und ihrer darauf dargestellten Nachfahrin aufzudrängen. Das zur Erklärung mal wieder eine psychische Erkrankung herangezogen wird, ist für mich weder ausreichend noch einleuchtend.

Verwirrend fand ich zudem die vielen Parallelen zwischen dem namenlosen Autor in der Geschichte und des Autors Wolfram Fleischhauer, der die Geschichte verfasst hat. Der Name des Erstlings „La Ligne Pourpre“ bzw. „Die Purpurlinie“ gleicht sich genauso wie einige persönliche Fakten. Nur der Sinn dahinter erschließt sich mir nicht.

Sprachlich wirklich gut gelungen, lässt mich der Roman trotzdem ratlos zurück und ich frage ich mich, an wen er sich überhaupt richtet. Es ist weder ein Krimi noch eine richtige Liebesgeschichte und auch einem historischen Roman wird er nicht gerecht. Auf die Geschichte in der Gegenwart hätte ich gut verzichten können. Stattdessen hätte ich lieber einen ausschließlich historischen Roman zur Entstehung des Gemäldes „Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern“ gelesen.