Eindringlich, knapp und voller Atmosphäre

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gormflath Avatar

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Das fiktive Dorf Krimmwing könnte überall sein, denn es ist ein Ort wie jeder andere. Die Bewohner beobachten ihre Nachbarn sehr genau und beurteilen ihr Verhalten. Über viele Begebenheiten hört man auch gern hinweg oder sieht diese einfach nicht. Wer anders ist als der vermeintlich „normale“ Bewohner hat es in einem solchen Ort schwer: Mitten in der Dorfgesellschaft leben der Rathbauer, der sich gern heimlich vor dem Spiegel schminkt oder der Seppi mit seiner dunklen Hautfarbe, dessen Vater aus Südafrika stammt und der zurückgelassen wurde. Über die ledige und alleinerziehende Rosa wird ebenso geredet wie über die Liesl mit ihren drei Brüsten. Im Nachhinein hat keiner geahnt, dass der Seppi eines Tages mit einem Seil zum Apfelbaum auf dem Hügel gehen würde.
In Krimmwing wird auch nichts vergessen, und als der Peter Dohringer nach vielen Jahren ins Heimatdorf zurückkehrt, wird es für einige im Ort sehr unangenehm.
In nüchternen Sätzen beschreibt Anna Herzig die eindrücklichen Szenen und die Machtverhältnisse im Dorf. Sie beobachtet das Geschehen, bewertet aber nie das Verhalten der Dorfbewohner und so wirken ihre scharfen Beobachtungen umso eindrücklicher. Die eigenwillig knappe, klare Sprache erinnerte mich beim Lesen an die Geschichten von Monika Helfer, die ebenso eindringlich über die Dynamik und die Machtverhältnisse von Dorfgemeinschaften schreibt. Das Büchlein sollte dazu anregen, gesellschaftliche Strukturen zu überdenken.
Die Autorin - als Tochter eines Ägypters und einer Kanadierin in Wien geboren – interessiert sich besonders für menschliche Makel und Abgründe. Als zweite „Stadtschreiberin“ für Dortmund wurde ihr zu Recht ein "hintergründig-skurriler, zum Teil bösartiger Stil bescheinigt, der die Tiefen menschlicher Beziehungen ausleuchtet".