dunkle Leidenschaft

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
martinabade Avatar

Von

„Seit 2.000 Jahren lebt die Erde ohne Liebe.
Es regiert der Herr des Hasses.
Hässlich, ich bin so hässlich, so grässlich hässlich:
Ich bin der Hass!
Hassen, ganz hässlich hassen, ich kann's nicht lassen:
Ich bin der Hass!
Ätzend, ich bin so ätzend, alles zersetzend:
Ich bin der Hass.“

So tönte 1983 „Codo“ vom „Deutsch-Österreichisches Feingefühl“, kurz DÖF, aus unseren Radios.

Frisch erschienen ist dieser Tage „Die dunkle Leidenschaft - Wie Hass entsteht und was er mit uns macht“. Dieser Text eignet sich nicht zur Vertonung, es reimt sich einfach nicht. Autor ist der renommierte Psychiater, Psychotherapeut und Gutachter Reinhard Haller. Um ihn müssen wir uns angesichts der intensiven Befassung mit dem Hass keine Sorgen machen, sein letztes Buch befasste sich mit dem „Das Wunder der Wertschätzung“. Da hält sich das hoffentlich die Waage.

Wenn das alles auch so ein beschwertes Thema ist, macht der Autor es uns Lesern und Leserinnen zumindest formal einfach. Die Sprache ist in der Regel gut verständlich, das spart das Glossar, das einem solchen Titel doch angestanden hätte. Schade. Dazu ist die Struktur der Kapitel(chen) gut nachvollziehbar, so dass wir nicht von ganz vorn nach ganz hintern durchlesen müssen, sondern je nach Interessenslage springen können. Und wenn wir genug vom Hassen haben, auch Pause machen können.

Wie die wissenschaftliche Systematik es verlangt, beginnt der Autor mit der Geschichte des Hasses, gehen der Frage nach, ob der Hass denn wirklich eine Emotion sein bis hin zur Persönlichkeitspsychologie. Spätestens dann entrollt sich die karge Grundlage der Vernichtung:

Die Trias des Hasses:
Gier – Neid – Hass
Die Trias der Hassverbrechen:
Amok – Massaker - Terror

Haller illustriert seinen Text mit vielen Beispielen, über die er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Hülle und Fülle verfügt. Ob das nun psychotherapeutische oder pathologische Szenerien sind, er schöpft aus dem Vollen. Und auch der Hass der Gegenwart u.a. Hate Speech, Hass in den Social Media, der Hass der unfreiwillig Zölibatären werden thematisiert. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und sehr, sehr alte Weis- und Wahrheiten ergänzen sich und öffnen uns neue Horizonte.

Schlechte Nachricht: Es gibt nicht wirklich eine „Hasspersönlichkeit“, obwohl die Menschen natürlich verschieden veranlagt sind. Wir alle können aber hassen.

Noch schlechtere Nachricht: 1983 kam Codo und brachte die Liebe mit. Und dann war alles gut. Haller zeigt uns zwar einige Wege aus dem Hass, aber allein die Liebe ist es nicht.