Leidenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Hass

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alekto Avatar

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"Die dunkle Leidenschaft" beginnt mit einer Auseinandersetzung Hallers, wie Hass zu definieren sei. Dies schließt eine philosophische Betrachtung des Hasses und insbesondere die Frage, ob Hass eher ein Affekt, ein Trieb oder eine Leidenschaft sei, mit ein. Diesbezüglich gehen die Meinungen von Philosophen auseinander. So sieht Kant etwa im Hass eine Leidenschaft und keinen Affekt, da sich der Hass die Zeit nimmt sich "tief einzuwurzeln" statt "übereilt einzutreten und unbesonnen" zu sein.
Haller kommt zu dem Schluss, dass Hass eine "auf Zerstörung ausgerichtete Abneigung, die destruktivste Form der Verachtung" sowie ein insgesamt "nicht leicht zu beschreibender Gefühlskomplex und gleichzeitig eine soziale Interaktion" sei, da er sich "gegen andere Menschen richtet". Am treffendsten lässt sich lt. Haller Hass noch als knapp über den Trieben angesiedelte "zerstörerische Leidenschaft" beschreiben, da Leidenschaft eine "das Gemüt völlig ergreifende Emotion" ist, die die "intensive Verfolgung von Zielen" beinhaltet.

Das Buch deckt ein breites Themenspektrum ab, das u.a. das Zusammenspiel von Hass mit anderen Emotionen - wie Neid, Gier oder Zorn, die Auswirkung von Hass auf den Selbstwert, die verschiedenen Hasspersönlichkeiten, die von Paranoiden, über Narzissten bis hin zu Dissozialen reichen, den Zusammenhang mit der dunklen Tetrade, die von Hassenden angewandten Methoden (z.B. Gaslighting), den Einfluss der sozialen Medien sowie generell des sozialen Umfeldes und die Faktoren, die uns für Hassbotschaften anfällig werden lassen, behandelt. Zudem erläutert Haller, wie Hass entstehen, welche Formen er annehmen und wie er sich auf dessen Opfer auswirken kann.
Ab und an ufern dabei die Überlegungen, die Haller anstellt, leider zu sehr aus und verlieren damit den Fokus auf das Wesentliche - nämlich das Thema Hass. So stellt Haller etwa fest, dass Hassverbrechen nicht über das primäre Motiv, aus Hass begangen worden zu sein, im juristischen Sinne definiert sind und somit treffender als "vorurteilsgeleitete Kriminalität" zu beschreiben wären. Nachdem der Autor jedoch Hassverbrechen von der Hassthematik abgegrenzt hat, widmet er sich intensiv der vorurteilsgeprägten Kriminalität und führt diverse Beispiele an. Da hätte mir eine Konzentration ausschließlich auf das Thema Hass besser gefallen, wofür ausreichend gewesen wäre festzuhalten, dass Hassverbrechen zwar den Hass im Namen tragen, damit jedoch eigentlich Vorurteile gemeint sind.

Die Kapitel der dunklen Leidenschaft haben eine angenehme Länge und den Schreibstil von Reinhard Haller, der sich für mich flüssig gelesen hat, habe ich als verständlich empfunden. Dabei bindet der Autor von Beginn an auch eher theoretische Inhalte ein, die von philosophischen Aspekten bis hin zu solchen der psychotherapeutischen Praxis reichen und etwa auch die Definition sowie charakterisierende Eigenschaften des Hasses betreffen. Das schließt etwa die Definition des Hasses nach Freud, die Analyse und Interpretation des Hasses gem. des Münchner Individualpsychologen Prof. Karlheinz Witte sowie des Psychoanalytikers und Sozialpsychologen Erich Fromm, der reaktiven von charakterbedingten Hass unterscheidet, mit ein. Abgerundet wird das von einem detaillierten Quellenverzeichnis inkl. Leseempfehlungen, das sich im Anhang findet.
Anhand von diversen Beispielen veranschaulicht Haller die zuvor beschriebenen, abstrakteren Inhalte. Besonders gut haben mir dabei die Beispiele gefallen, die Haller aus seiner langjährigen Erfahrung als Psychiater und Psychotherapeut mit einfließen lässt. Diese Beispiele schildern etwa den Fall eines Mannes, der nach einem Gefängnisaufenthalt alles verloren zu haben glaubt, oder den Fall einer Frau, die bei dem Autor Hilfe in Form einer Therapie gesucht hat, da sie während einer langwierigen und komplizierten Scheidung begonnen hat, ihren Mann zu hassen. Interessant fand ich aber auch die von Haller wiedergegebenen Geschichten aus der griechischen Mythologie oder der Bibel, da so veranschaulicht wurde, wie weit die Ursprünge des Hasses zurückreichen.

An seiner persönlichen Meinung über den Hass lässt Bernhard Haller keinen Zweifel. Der Hass ist für ihn die mit Abstand dunkelste aller Leidenschaften, die zerstörerischste aller Kräfte und das einzige Gefühl, dem jegliche positive Eigenschaft fehlt. Dagegen attestiert Haller beispielsweise der Wut auch eine befreiende Wirkung und dem Zorn eine mögliche Wiederherstellung des Gerechtigkeitsgefühls. Mir ist bewusst, dass Haller die Botschaft, die er hat, so verdeutlichen will. Nur scheint mir diese Darstellung dann leider doch des öfteren ein wenig einseitig geraten zu sein - gerade wenn seine persönliche Meinung zu sehr in den Vordergrund tritt. Im Vergleich dazu laufen etwa die im Buch beschriebenen Persönlichkeitsstörungen, die vom Hass abgegrenzt werden und deren positive Aspekte stets betont werden, Gefahr für den Laien, der das Buch von Haller liest, verharmlost zu werden.
Insofern hätte ich mir gewünscht, dass sich die persönliche Meinung des Autors auf das Vorwort beschränkt hätte und im Rest des Buchs möglichst ausgespart worden wäre. Denn dieses Buch habe ich immer dann als besonders stark empfunden, wenn Haller seine Inhalte rational beschrieben hat, auch die Meinungen anderer - wie etwa von berühmten Philosophen oder Preisträgern eines Essay Wettbewerbs - fundiert wiedergegeben hat und die vom Autor angeführten Beispiele sich auf harmlosere Fälle aus seiner psychotherapeutischen Praxis bezogen haben. Die Beispiele, die grausamste Kriegsverbrechen und ähnlich gelagerte Gräueltaten beinhaltet haben, haben auf mich leider eher sensationslüstern und effekthascherisch gewirkt und sind in einem sachlichen Buch eher kontraproduktiv gewesen.