psychologischer Polit-Roman

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majandra Avatar

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Wenn die Regierungschefin eines ganzen Landes auf Urlaub fährt, sollte man meinen, dass für alle Eventualitäten reichlich vorgesorgt ist – nicht so in diesem Roman, wo das denkbar Unvorhergesehenste passiert: Von einem Bahnhofsschild unglücklich am Kopf getroffen, verliert sie ihr Gedächtnis an die letzten 20 Jahre und leidet fortan an einer retrograden Amnesie, die sie jeden Tag aufs Neue erleben – und vergessen – lässt.

 

Der Roman beginnt mit einem Buch im Buch – die Regierungschefin ohne Namen liest Tolstois „Krieg und Frieden“, gleichzeitig schreibt sie SMS mit Bodega, ihrem Sicherheitsbeauftragten. Mehrere Textsorten werden auf diese Weise eingebaut und wechseln einander ab, sodass sich alles in ein interessantes Ganzes fügt. Sprachlich – vielleicht aufgrund der hoch literarischen Vorlage – wirkt der Roman sehr niveauvoll. Zudem werden philosophische Fragen behandelt, was das Thema abrundet.

 

Die Regierungschefin, die eigentlich vorhatte, auf einer nostalgischen Eisenbahn-Rundfahrt in das Russland des 20. Jahrhunderts zurückzukehren, landet schließlich in einem Krankenhaus und kehrt in ihrer Erinnerung selbst in eine lang vergangene Zeit zurück. Während sie fortan in einer eigenen Welt lebt, in der die einzige Verbindung zur Gegenwart aus ihrem Ehemann besteht, flüchtet sich das Regierungskabinett in abstruse Pläne, wie aus dieser prekären Lage dennoch politische Vorteile für das Land zu ziehen sind. Auf die Gefühle und medizinischen Probleme der Regierungschefin oder ihres Ehemanns wird dabei keine Rücksicht genommen – ein ganz und gar realistisches Szenario.