Politisches Überleben auf glattem Parkett

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Zum Inhalt: Die Regierungschefin einer westlichen Industrienation (ein Schelm, wer "Merkel" dabei denkt) fährt inkognito mit der Bahn durch Sibirien. In Omsk fällt ein Bahnhofsschild auf das Haupt der Dame und führt bei ihrem inneren Stab bald zur vollständigen Verzweiflung. Die folgenden Versuche, den vollkommenen Verlust des Gedächtnisses der letzten 20 Jahre vor Volk, Presse und vor allem Opposition geheim zu halten, beschreibt Katharina Münk (Pseudonym) mit Charme und augenzwinkerndem Humor.

Zum Cover: Eisläuferin auf Spieluhr, - ich hätte eher eine Schneekugel bevorzugt, die zur Erinnerungshilfe wird. Trotzdem ist auch dieses Instrument zur Versinnbildlichung der Schwierigkeiten, die jeden neuen Tag aufs Neue auf Chefin und Eingeweihte warten, durchaus geeignet.

Mein Eindruck: Zwar werden fast nie konkrete Namen verwendet, doch die Seitenhiebe auf real existierende Bundeskanzlerinnen und Oppositionschefs sind zu eindeutig, um ignoriert zu werden; - das Pseudonym der Schriftstellerin damit sehr angebracht. Ich persönlich habe mich glänzend amüsiert, wenn der politische Eiertanz auf die Schippe genommen wurde - schließlich ist das diplomatische Leben auch ohne Handicap schon schwer genug. Dass es einer Regierungschefin nicht abträglich sein muss, Gefühle zu zeigen und unkonventionelle Wege zur Völkerverständigung zu gehen, glaube ich sofort - wie gerne schimpft das gemeine Volk doch auf "die da oben", die jeglichen Bezug zu Sorgen und Nöten der Mitbürger verloren zu haben scheinen.

Fazit: Wer nicht auf Tiefe hofft, sondern sich einfach nur mit einem parallel zum Buch ablaufenden Kopfkino unterhalten lassen will, ist gut bedient, wer auf politische Korrektheit, boshafte Satire oder ernsthafte Kritik setzt, wird enttäuscht sein. Da ich mich zur erstgenannten Gruppe zähle (ernsthafte und schwer verdauliche Politik habe ich gerade genügend real vor Augen), verteile ich gerne 4 Sterne.