Merrily Watkins - Exorzistin ohne Profil

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hmich Avatar

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Was als spannende und interessante Leseprobe angefangen hat, entpuppte sich leider als ziemliche Enttäuschung. Aber vielleicht erst einmal das Positive.

Dem Autoren gelingt es sehr gut, die enge und auch etwas gruselige Atmosphäre im Grenzland von Wales einzufangen, wo moderne und altertümliche Vorstellungen und Religionen zusammenprallen. Soweit so gut. Auch die Charaktere der Heiden (Betty und Robin) sind gut eingeführt, besonders Betty hat mich beeindruckt, zumal sie sehr zielstrebig Antworten auf ihre Fragen sucht und die Geschichte eigentlich voranbringt. Die Geschichte mit den 5 Kirchen und dem Drachen war übrigens sehr gut, aber leider nicht wirklich gut ausgeführt.

Auf der anderen Seite stehen die "Einheimischen", die ein einträgliches Geschäft damit machen, harmlose Rentner, die ihren Lebensabend auf dem Land verbringen wollen, erst um ihr Geld und dann ihr Leben zu bringen, zum Wohle des Dorfes sozusagen. 

Diese Machenschaften kommen erst ans Tageslicht, als ein fanatischer Prediger ins Dorf kommt, gegen die "Heiden" zu Felde ziehen will und irgendwie dann alles durcheinandergerät.

Durch diese Geschichte stolpert Merrily Watkins, eine alleinerziehende Pfarrerin und frisch ernannte Exorzistin. Im Gegensatz zu fast allen anderen Charakteren, die ihre Aufgaben in diesem Roman erfolgreich erfüllen, versagt sie bei jeder Gelegenheit: beim Trost des Witwers, der seine Menna beklagt, bei der Talkshow, in der sie im Kampf zwischen Heiden und fundamentalistischen Christen die Stimme der Vernunft sien soll; und zu guter Letzt auch noch bei dem Exorzismus, der sie in völliger Unkenntnis der nötigen Rituale komplett überfordert. Man fragt sich, ob dem Roman etwas gefehlt hätte, wenn sie einfach nicht vorkommen würde! Ich fürchte nicht.

Was mich aber am Stil des Autors richtig ärgert, ist, dass er all die Höhepunkt und Showdown-Momente, von denen das Buch durchaus einige aufweist, mitten in der Handlung abbricht (er hob das Schwert und .... meanwhile an einem anderen Schauplatz...) und erst 15 oder 20 Seiten indirekt auf das Geschehene verweist oder das ganze beiläufig erzählen lässt. Dabei gehen immer ein paar Informationen verloren. Was ein- oder zweimal ein interessantes Stilmittel sein mag, wird - konsequent angewendet - zu einem Ärgernis.

Insgesamt gesehen ist der Roman eine Ansammlung schlecht entwickelter Möglichkeiten und verpasster Gelegenheiten. Das Thema und das Setting sind klasse, die Atmosphäre gut eingefangen und auch das Tempo der Geschichte, die sich ja doch sehr gemächtlich entwickelt, sind okay, allein die handelnden Charaktere halten nicht, was sie versprechen. Auch finde ich hier keine echte Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Theologie - alles, was dazu gesagt wird, bewegt sich ziemlich an der Oberfläche.