Eine Reise für die Nase – und die Vorstellungskraft
Dieses Buch hat mich auf eine Weise berührt, wie es nur selten geschieht: nicht durch große Dramatik oder spektakuläre Wendungen, sondern durch seine sinnliche Intensität. Wauters beschreibt das mittelalterliche Antwerpen mit einer Detailfülle, die mich förmlich in die engen Gassen, die dunklen Werkstätten und natürlich in das überwältigende Innere der Kathedrale gezogen hat. Vor allem der Geruchssinn spielt eine zentrale Rolle – und das ist auch die größte Stärke des Buches. Der Duft von Weihrauch, das ranzige Fett der Kerzen, die süßlich-verwesende Note des Marktes – all das wird so lebendig geschildert, dass ich manchmal meinte, es selbst in der Nase zu haben.
Allerdings hat mich die Erzählweise gelegentlich etwas ausgebremst. Wauters schreibt poetisch und atmosphärisch dicht, aber manchmal verliert sie sich in zu langen Beschreibungen, die der Handlung den Schwung nehmen. Die Figuren blieben für mich ebenfalls etwas blass – sie sind eher Mittel zum Zweck, um die Stadt lebendig zu machen, als dass sie wirklich ein Eigenleben entwickeln.
Trotzdem: Wer sich für das Mittelalter interessiert und bereit ist, sich auf eine fast schon synästhetische Leseerfahrung einzulassen, wird mit Die Gerüche der Kathedrale eine außergewöhnliche Zeitreise erleben.