Stinkende Pilger

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
owenmeany Avatar

Von

Ausgehend von den olfaktorischen Bedingungen im mächtigsten Gotteshaus Antwerpens im 16. Jahrhundert weitet Wauters in ihrer laiengerecht aufbereiteten Doktorarbeit unseren Blick auf die allgemeinen Lebensbedingungen dieser Zeit unter besonderer Berücksichtigung der Spiritualität.

Allgemeinverständlich und übersichtlich strukturiert präsentiert sie erstaunliche Fakten, die sie anhand der damit verbundenen Sinneseindrück fokussiert, wie zum Beispiel die Funktion des Weihrauchs, die Auswüchse bei Prozessionen sowohl im Hinblick auf deren äußere Pracht als auch das Benehmen der Teilnehmer und ganz eindringlich die gesellschaftlichen Herausforderungen durch die Pestepidemien. Ich habe Interessantes erfahren über das Weltbild der Ära, die Sozialstruktur, den Glauben, die Medizin, vor allem auch über die politischen Umstürze im Zusammenhang mit der Reformation. Wauters informiert uns über den Sinn kirchenbaulicher Elemente wie Hochchor und Lettner sowie über die Liturgie und Dogmatik im Wandel der Zeiten und im Vergleich der Konfessionen. So manches für uns Kurioses beschreibt sie voller Respekt und Verständnis.

Durch die Lektüre habe ich einen neuen Blick gewonnen für künftige Besichtigungen, die uns in dem heutigen Bauzustand nicht mehr den Einfluss der Zünfte, Gilden und anderer Verbindungen vor Augen führen, sich manifestierend in der Fülle und Ausstattung der Altäre. Die Ehrfurcht der damals Gläubigen vor dem Sakrament können wir heute nur noch eingeschränkt nachempfinden.

Dem wissenschaftlichen Anspruch wird eine eingehend kommentierte Bibliographie gerecht, die allerdings fast ausschließlich Werke aus dem niederländischen und englischen Sprachraum umfasst.

Bei allem Respekt vor der schriftstellerischen Leistung hat mich am meisten der als opulent angekündigte Bildteil enttäuscht: sind die Illustrationen auch gut gewählt und aussagekräftig, fand ich das dauernde Blättern wegen der Konzentration in der Buchmitte anstrengend. Die geringe Größe der einzelnen Bilder hat mir das Erkennen der angesprochenen Details schier unmöglich gemacht - man müsste sich denn einer Lupe bedienen.