Was macht eine Freundschaft aus?

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Mit 66 Jahren rückblickend erzählt Elena(Lenuccia) die Geschichte ihrer Freundschaft mit Lila weiter.
Beide sind jetzt Ende Zwanzig in den 1970ger Jahre inmitten Italiens. Die Frauen, die sich seit frühester Jugend kennen und schätzen gelernt haben, schlugen entsprechend ihres Temperaments und ihrer Vorstellungen unterschiedliche Wege ein. Lenuccia, die Erzählerin, erreicht durch Fleiß und wachsender Intelligenz ein abgeschlossenes Studium und erhebt sich durch eine Heirat mit Pietro, einem Sohn aus angesehenem, intellektuellem Haus, aus ihren neapolitanischen Wurzeln hinaus. Sie wird mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern in Florenz wohnen. Lila, getrennt von ihrem, mit 16 Jahren geheirateten Mann, schlägt sich und ihren Sohn zuerst mittels demütigender Arbeit in einer Wurstfabrik, später durch Kenntniserwerb neuester Computertechnik durch. Beide werden Entscheidungen treffen, die Kompromisse beinhalten. Entscheidungen die die beiden Frauen sich einmal näherbringen einmal mehr entfernen. Dennoch bleiben beide sich gegenseitig Vorbilder, Hoffnungsträger und auch Triebfeder. So wie Lila sagt: … wer bin ich, wenn du nicht gut bist, wer bin ich dann?

Lenuccia schreibt einen zweiten Roman, muss erkennen, dass sie die Fähigkeit, das Wesentliche zu beschreiben vorerst verloren hat. Das, was sie einst ausgemacht hat, scheint in die Rolle von Ehefrau und Mutter zusammenzuschrumpfen. Das Gefühl von Stagnation endet mit Veröffentlichung einer kleinen Schrift über die Frauenrolle und das gleichzeitige Wiedersehen mit Nino, ihrer Jugendliebe. Elena trifft eine Entscheidung, die ihre Freundin Lila nicht gutheißt.
„...Wozu zum Teufel , habe ich mir vorgestellt, dass du ein wunderschönes Leben haben würdest, auch für mich mit?“
Der dritte Teil endet mit einer Ungewissheit in Bezug auf Elenas Leben und dem unguten Gefühl für Lilas derzeitige Lebensentscheidung. Die vierteilige neapolitanische Saga wird übersetzt von Karin Krieger. Das Lesen ist reinstes Vergnügen, ein literarisches Schätzchen. Die Beziehungen untereinander, das Zeitkolorit. Sehr gut empfinde ich auch den Vorspann über die handelnden Personen und was in den vorangegangenen Büchern geschah. Die Personen sind übersichtlich und das Sympathische ist, auch über deren Leben Informationen zu bekommen. So erweckt sich der Eindruck, mitten im Geschehen anwesend zu sein. Da die Identifikation mit den beiden Protagonisten gelingt, fällt es nicht schwer, deren Denkweise anzunehmen und dennoch – und das ist der Zauber – immer wieder überrascht zu werden durch unerwartete Entscheidungen und tiefer gehende Gedanken- und Grundgefühlserläuterungen, die die Spannung und das Staunen antreiben. Wie z.B.“ Nino hatte Unruhe in einen Zustand gebracht, der für mich das einzige mögliche Gleichgewicht darstellt.“ Oder:“ ..wir waren abstrakte Wesen füreinander geworden... wir brauchten beide eine neue Tiefe, Substanz. Doch wir hatten uns voneinander entfernt und konnten sie uns nicht mehr geben....“ Es gibt genügend Stoff, anschließend über sich selbst nachzudenken.
Doch wie geht es mit den beiden Freundinnen weiter? Neapel – Untergang oder Chance?
Ich freue mich auf einen spannenden vierten und letzten Teil der neapolitanischen Saga, der 2018 erscheinen wird.