Raffiniert und überrraschend

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edda Avatar

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Zwei Ermittler, Gabe und Marta, degradiert, um alte Fälle zu lösen, finden
überraschende Zusammenhänge.
Ob die deutsche Titelübersetzung "Die Grausamen" eine gelungene ist, mag jeder selbst entscheiden. Ein Thriller ohne Mord und Blut ist kaum mehr vorstellbar. John Katzenbach schafft es wieder, die Zwischentöne, das Undurchsichtige, so im Vordergrund als durchgängigen roten Faden zu behalten, dass zwar der Tod wichtiger Wegweiser und zur Aufklärung beiträgt, aber nicht der Hauptthrill wird - dazu sind wir als Leser auch schon zu abgebrüht. Nein, mehrere psychologische Spannungsstränge, die sich nur langsam erschließen, sind es, die einen von Anfang an mitfiebern lassen.
So wie das Zitat von Eugene Ionesco vor dem Dritten Teil: "... Es gibt mehrere Realitäten, such dir die aus, die dir zusagt," so erfährt der Leser anhand der Interviews mit den damals Beteiligten eine Reihe von Aussagen, die, dem ersten Anschein nach, ohne Zusammenhang einzeln stehen. Wäre da nicht eine Winzigkeit, dünn wie der Faden einer Spinne, den die an sich zweifelnden Ermittler zu einem Bild weben werden. Das Fischen im Nebel wird im Endspurt belohnt durch eine unvermutete Aufklärung. Wenn ich dies alles schon vorher geahnt hätte, hätte ich den Thriller von vornherein unter anderen Gesichtspunkten gelesen, doch gerade mit dem Wissen komme ich in den Genuß noch einmal von vorne anfangen zu können und ich weiß, dieses bestens konstruierte Buch wird auch beim zweiten Lesen nicht langweilig - es erschließen sich aus anderer Sicht immer neue Facetten. Das Buch ist durchgängig von menschlicher Zuneigung geprägt und dem Wissen um die menschliche Fehlbarkeit und Möglichkeit. Ein warmherziges und intelligentes Lesevergnügen.