Wann ist ein Mann ein Mann?

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kainundabel Avatar

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So sind sie also, die „Herzen der Männer“ – geformt durch Freundschaft, Schwächen, Stärken, Selbstbewusstsein, Werte und amerikanisch-idealisiertem Heldentum. Letzteres aber durchaus in vielschichtigen Variationen. Über drei Generationen hinweg, im Zeitraum von 1962 bis 2019, begegnen wir Männern (und den Frauen an ihrer Seite). Bindeglied zwischen den Zeiten sind Nelson als Person und Pfadfindercamps als Ort der Handlung.
Der dreizehnjährige Nelson entspricht ganz und gar nicht der Vorstellung seines Vaters von einem zukünftigen Mann. Fehlendes Selbstbewusstsein, Außenseiterstatus und Sensibilität sind in seinem Bild der Männerwelt fehl am Platz. Dass sich ausgerechnet Jonathan, das krasse Gegenteil von Nelson, sich diesem als Freund andient, macht zunächst stutzig. Erstaunlich, dass diese Verbindung dennoch all die Jahre trägt. Nelson muss allerdings bittere Erfahrungen machen, muss Erniedrigungen erdulden, wie sie drastischer kaum sein können. In der zweiten Generation zeigt uns Jonathan, was er unter der Erziehung seines Sohnes Trevor zum Mann versteht. Für ihn gehören frühzeitiger Alkoholgenuss, Striplokal und die „Liebe“ käuflicher Frauen unbedingt dazu. Keinesfalls aber Trevors Zuneigung zu Rachel, die für seinen Vater zum Objekt der Lächerlichkeit wird. Währenddessen „reift“ Nelson im Vietnamkrieg zum Kriegshelden, der weiterhin der Pfadfinderbewegung treu bleibt.
Vielleicht ist es überinterpretiert, aber für mich war die zentrale Funktion des „Pfadfinder“tums Synonym für das Suchen nach Wegen im Leben und dem Finden von Pfaden. Im dritten Teil (der Zukunftsvision 2019) nimmt Trevors Sohn Thomas zwar weiterhin, diesmal unter Begleitung seiner Mutter Rachel, an dem Pfadfindercamp teil, wenn auch eher widerwillig. Die Bewegung mit den althergebrachten Bräuchen und Riten erscheint als Anachronismus, aus der Zeit herausgefallen, zur Prägung von Männerherzen nicht mehr geeignet. Lagerfeuerromantik und Orientierung anhand des Sternenhimmels sind in Zeiten von Smartphones, digitaler Vernetzung und GPS nicht mehr angesagt.
Zweifellos ist Nickolas Butler ein vielschichtiges, mitunter drastisches, zeitweise sensibles Buch gelungen. Ein Buch mit Höhen und Tiefen, Kurzweiligkeit, aber auch deutlichen Längen im zweiten Teil. Zum Glück gelingt es ihm aber rechtzeitig, der Langatmigkeit durch eine Spannungssteigerung ein Pendant entgegen zu setzen. Ein Buch, das man lesen kann, aber nicht zwingend muss.