Schöner Historienschmöker

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marionhh Avatar

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Ursel Zimmer, die „Hurenkönigin“ von Frankfurt und Gildemeisterin aller Frankfurter Huren, hat sich inzwischen einen guten Ruf erworben und für sich und ihre Mädchen die Bürgerrechte erworben. Da schneien Alma und ihre wunderschöne Tochter Irene bei ihr hinein. Sie nimmt sie auf und Irene kurbelt sofort das Geschäft an. Ursel ist so sehr von Alma fasziniert, dass sie sich sogar mit ihrem langjährigen Geliebten, dem Gelehrten Bernhard, überwirft. Alma gehört dem geheimnisvollen Venusorden an, der mit geheimnisvollen und grausamen Ritualen der Liebesgöttin Venus huldigt, und sie drängt Ursel, diesem beizutreten.

Als der Augsburger Bankier Jakob Fugger in die Stadt kommt, engagiert man die Huren zur Zerstreuung und er verbringt mit Irene die Nacht. Nach einem bösen Streit mit dem Ratsherrn Uffsteiner wird dieser ermordet und grausam verstümmelt in einer Gasse gefunden. Verhaftet wird Alma, hat sie dem Uffsteiner doch wilde Drohungen an den Kopf geworfen. Es stellt sich jedoch heraus, dass dem Ratsherrn mehrere Leute nicht gerade wohlgesonnen waren, weder seine Familie, die er misshandelt und gequält hat, noch die Kollegen, hat er ihnen doch das Geschäft mit dem Fugger zunichte gemacht.

Ursel, hin und her gerissen zwischen ihrem Geliebten Bernhard und ihrer Zuneigung zu Alma, befragt auf eigene Faust die Leute und legt sich mehr als einmal mit dem neuen jungen Untersuchungsrichter Fauerbach an, der ebenfalls ermittelt. Dann stirbt der Hausknecht Franz und Bernhard wird überfallen, und als es Ursel endlich dämmert, wer hinter allem steckt, schwebt auch sie in Lebensgefahr.

Sehr gut zu lesender, fesselnder und schöner Historienschmöker. Aus verschiedenen Perspektiven gibt die Autorin intime Einblicke in das Leben und die Gedankenwelt nicht nur von Ursel, sondern auch in die Bernhards, des Richters Fauerbach und nicht zuletzt der Familie des toten Uffsteiners. So weiß der allwissende Leser allzeit mehr als die handelnden Personen, was aber dem Lesevergnügen keinen Abbruch tut. Überhaupt lebt der Roman nicht zwingend von der Krimihandlung, sondern von der interessanten Protagonistin Ursel und ihrer Beziehung zu ihren Mädchen, zu Bernhard und nicht zuletzt zu Alma. Ursel ist eine sehr emotionale Person, man leidet mit ihr mit und hofft sehr auf ein happy end. Die Auflösung der Morde gerät dabei fast ein bisschen in den Hintergrund und ist an sich nicht wirklich überraschend.

Wer die Vorgänger "Das Geheimnis der Totenmagd" und "Die Hurenkönigin" gelesen hat, ist sicherlich im Vorteil, er kennt die Charaktere, es ist jedoch zum Verständnis der Handlung nicht zwingend notwendig. Die Handlung ist in sich geschlossen und an vielen Stellen des Romans werden vorangegangene Ereignisse kurz erläutert, so dass man als Leser immer auf dem laufenden ist. Die Hurenkönigin ist eine durch und durch sympathische Protagonistin, lässt sich aber sehr leicht von Alma beeinflussen und steht immer zwischen zwei Stühlen, nämlich zwischen Alma und ihrem Geliebten Bernhard, dem Alma suspekt ist. Jedoch verliebt er sich in Irene, was wiederum die Eifersucht von Ursel hervorruft und zum Zerwürfnis führt. Erst der Kampf um sein Leben bringt die beiden einander wieder näher. Ursel ist sehr emotional, sie fährt aus der Haut, bricht oft in Tränen aus und lässt sich auch bei ihren Ermittlungen sehr von Gefühlen leiten. Aber durch ihre Empathie und ihren Einfühlsamkeit gewinnt sie die Herzen der Leser.

Auch der Richter Fauerbach, frisch aus dem Hörsal und ungeheuer ehrgeizig, ermittelt in den Mordfällen. Obwohl durchaus nach Gerechtigkeit strebend, ist er menschlich das genaue Gegenteil von Ursel, nämlich herablassend und die Menschen unter Druck setzend, berechnend und ohne Mitgefühl. Und doch gewinnt er durch die Befragung der Familie, der Dienstboten und der Ratsherren mehr verwertbare Erkenntnisse als Ursel. Die Methode der Folter zwecks Wahrheitsfindung war durchaus gängig für die damalige Zeit, und er richtet sich immer nach dem Gesetz.

Fazit: Als „historischen Kriminalroman“ möchte ich das vorliegende Werk eher nicht bezeichnen, sondern als flüssig geschriebenen und gut zu lesenden Schmöker mit kriminalistischen Elementen vor historischem Hintergrund. Wer logische Gedankengänge und empirische Ermittlungen erwartet ist hier ebenso falsch wie ein Geschichtsfan, der jede Menge über historische Persönlichkeiten lesen möchte (Fugger bleibt ebenfalls blass) oder ausführliche historische Hintergründe liebt. Wie gesagt ermittelt Ursel eher emotional und intuitiv und gewinnt Erkenntnisse eher zufällig, und auch wenn die Geschichte vor historischer Kulisse spielt, ist es eben auch nicht mehr als eine Kulisse. Auch der sogenannte Venusorden bleibt letztlich nebensächlich, er stellt zwar Almas Lebensaufgabe dar, wird aber nicht ausführlicher beschrieben und ist mit Sicherheit auch keine mächtige Geheimgesellschaft, die im Hintergrund ihre Fäden zieht. Die Charaktere jedoch sind so sympathisch und Ursels und Bernhards Zuneigung zueinander gehen einem ebenso sehr zu Herzen wie die der dienstältesten Hure und Freundin Irmelin zu Ursel, und so ist der Roman eine sehr unterhaltsame und kurzweilige Lektüre für schöne Stunden und sei allen Fans des Historienschmökers zum Weiterlesen unbedingt empfohlen.