Ganzheit ist die auf die Vielfalt angewandte Einheit

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donna vivi Avatar

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Die Illusion des Getrenntseins spielt im Zeitraum von 1939 bis 2010. Die Ereignisse dieser Zeitspanne sind zwar in Kapitel unterteilt, doch diese Gestaltung ist fern von einem streng chronologischem Aufbau. In den einzelnen Abschnitten bekommt man Einsicht ins Leben der voneinander scheinbar unabhängig lebenden Protagonisten. Was verbindet die Vertreter der verschiedenen Generationen, Martin, John, Mr. Hugo, Amelia, Sébastien und Danny? Wo ist der Zusammenhang zwischen ihren Erfahrungen in Long Island, New York, Los Angeles, Manchester, Saint-Pierre und East Sussex?

Es wird ziemlich schnell klar, dass der Autor, van Booy, die voneinander getrennten Lebenswege in eine bewusste Richtung lenkt. Mit göttlicher Hand würfelt er eine Kombination von Möglichkeiten (noch dazu: mit voneinander weit lebenden Personen) zusammen. Dennoch lässt er an Zufällen von Grund aus zweifeln: Dieser Roman wächst allmählich aus den bruchstückhaften Teilen zu einer logischen Einheit und bildet ein Ganzes. Aus dem Durcheinander der Episoden entfalten sich die Zusammenhänge trotz der eigensinnigen Anordnung.

In den Fußstapfen großer Philosophen und vom Zen-Buddhismus überzeugt erlaubt Simon van Booy dem Leser eine neuartige Betrachtung des Lebens. Sein „göttlicher Blickwinkel“ animiert zum Nachdenken: In bestimmten Abständen unterbricht er sogar die Erzählung, um einer philosophischen Weisheit Platz zu schaffen. Diese Aussagen klingen schlicht atemberaubend und summieren die gegebene Romansituation mit Klarheit und Eleganz.
Auf der einen Seite erlebt man die einfachen Ereignisse des Lebens (oder eben die Grausamkeit des Krieges), damit die Arbeit und die Alltagssorgen – die Normalität. Auf der anderen Seite werden besondere Weisheiten hervorgebracht, die die jeweilige Situation perfekt pointieren.

Simon van Booy erzählt seine Geschichte in einem ruhigen Schreibstil ohne große Emotionen, mit philosophischen Ansätzen und mit einer allgegenwärtigen Selbstverständlichkeit. Dabei wird dem Leser die Freiheit eingeräumt, die Zusammenhänge selbst wahrnehmen zu dürfen, bis sich der (Zen-)Kreis schließt.

„Unsere Leben sind verschieden aber am Ende fühlen wir alle das Gleiche.“

Wer sich eine leise, nachdenkliche Lektüre wünscht, liegt mit diesem Roman richtig.