Die irgendwie richtige Richtung

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Gideon ist mit seinem Freund Tom am 10. Juni verabredet. So richtig weiß er gar nicht mehr, was sie da tun wollten, denn der Termin entstand in einer durchzechten Nacht. Doch Tom weiß die Lösung – sie wollen pilgern, nach Santiago di Compostella. Warum? So richtig weiß er auch das nicht. Es ist eine anstrengende Reise mit interessanten Bekanntschaften und vielen Schmerzen, doch seinen inneren Frieden findet er nicht. Drum macht er sich auf eine weitere Reise – zunächst nach Japan zu den 88 Tempeln auf Shikoku, und in die Ukraine nach Uman, um einer chassidischen Tradition zu folgen.
Leider hat mir dieses Buch gar nicht gefallen, vielleicht waren aber auch meine Erwartungen einfach falsch. Schon die ersten 50 Seiten haben mich eher abgeschreckt als das sie mich für die Geschichte gewinnen konnten. Hier erzählt Gideon von seiner Zeit vor der Pilgerreise, als er planlos und ohne Ziel in Berlin sein Leben fristet. Schon hier ist der Schreibstil anstrengend mit langen und verschachtelten Sätzen und Gedankengängen, die für mich einfach nicht nachvollziehbar sind. Vielleicht hätte ich es mir schon denken können, dass der Ich-Erzähler und meine Person andere Vorstellungen von einer Pilgerreise haben, denn die Idee der Fahrt entstand in einer durchzechten Nacht mit seinem Freund Tom und schien mir eher wie aus einer Bierlaune heraus entstanden zu sein als denn als Reise mit wirklichem Hintergrund.
Doch mit Beginn des Pilgerns wurde es zunächst angenehmer zu lesen. Zunächst geht es durch Spanien, man lernt verschiedene Mit-Pilger kennen, aber auch einiges von der Landschaft, Rivalität zwischen den Freunden und vor allem schmerzende Füße. Auch bei der zweiten Pilgerreise, Gideon ist nun in Japan und geht den größten Teil der Strecke alleine, passiert nicht wirklich mehr. Es ist eher ein Wettkampf mit den Kilometern, wie viele am Tag zu schaffen sind. Es sind weniger Menschen unterwegs, das Wetter ist deutlich schlechter, und Gideon hadert mit seiner Entscheidung. Einzig die Beziehung zu seinem Vater beschäftigt ihn während seiner Wanderung, insbesondere auch, weil sein Großvater Max – ein wirklich toller Mann und einer der wenigen mir sympathischen Charaktere im ganzen Buch – ihn zu Beginn in Japan begleitet. Doch es bedarf einer weiteren Wallfahrt, diesmal nach Uman in der Ukraine in Begleitung des Vaters und des Bruders, um eine Annäherung an seinen Vater zu erreichen und sich mit ihm auszusöhnen.
Der letzte Teil war dann wieder sehr anstrengend zu lesen, nicht nur des vertrackten Schreibstils wegen, sondern auch wegen der vielen zum Teil philosophischen Gedankengänge und die immer wieder eingestreuten Fachwörter und Zitate anderer Autoren. Gefallen hat mir das nicht und unterhalten hat es mich leider noch viel weniger.
Ich war froh, als ich das Buch endlich beendet hatte und bin wirklich enttäuscht, denn meine Erwartungen an die Geschichte haben sich leider nicht erfüllt – ich hoffe nur, dass der Autor durch seine Pilgertouren etwas für sich selbst erreichen konnte. Ich als Leser bin froh, dass das Pilgerbuch nun zu Ende ist.