Verlorene Koffer und ein wieder gefundener Vater

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sonja steckbauer Avatar

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Die vier Söhne des Gabriel Delacruz – Christof, Christopher, Christophe, Cristòfol - versuchen zusammen, das Leben ihres verschwundenen Vaters Gabriel Delacruz zu rekonstruieren und erzählen, was sie nach und nach über ihn erfahren. Gabriel ist dabei ein „kapriziöser Gastgeber“ (S. 64), der die vier Halbbrüder zunächst in seiner Wohnung versammelt, damit sie ihre Gemeinsamkeiten und seine Vergangenheit entdecken. Als Möbelpacker und Fahrer für ein Transportunternehmen, das auf Übersiedlungen spezialisiert war, hatte er jahrzehntelang ganz Europa kennen gelernt.

Erzähler des Romans ist zu Beginn ihr gemeinsames „wir“, dann ebenso wichtige Figuren aus Gabriels Leben, wie z.B. sein langjähriger Freund und Wegbegleiter Petroli. Einige der Kapitel werden durch Auszüge aus Gabriels Tagebuch oder Fahrtenbericht eingeleitet, in denen er beschreibt, welche Gegenstände sie auf ihrer Fahrt mitgehen ließen und wie die Beute aufgeteilt wurde. Darin wiederum können die vier Halbbrüder abwechselnd Geschenke an sie oder ihre Mütter wieder erkennen.

„Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz“ ist eine Reflexion über die fehlende Vaterfigur. „Wir haben die gleiche Erinnerung.“ (S. 11 und 12) Mit diesen Worten beginnen die Erzähler, und dennoch wird zunehmend klar, dass eine ähnliche Situation aus den vier Halbbrüdern ganz unterschiedliche Männer gemacht hat.

Es wird ein langer Weg werden, bis der Leser nach etwas mehr als 600 Seiten erfährt, was mit dem Vater passiert ist. Gabriel Delacruz bleibt dem Leser dabei über weite Strecken ebenso fern wie den suchenden Söhnen, obwohl er der Titelheld ist. Der katalanische Titel „Maletes perdudes“ gibt mehr Aufschluss über die Vergangenheit des Vaters, denn verlorene Gepäckstücke hatte ihn mit seiner letzten Frau in Barcelona zusammen gebracht und sollten ein wichtige Rolle in ihrem Familienleben spielen.

Darüber hinaus eröffnet der Roman dem Leser eine Begegnung mit Barcelona in den 60er Jahren, in denen „die Stadt wieder [erwachte], schlecht gelaunt, mit schwerem Kopf und von Albträumen gebeutelt, doch das hektische Treiben ließ ihr keine Minute zum Verschnaufen.“ (S. 103) Gabriel Delacruz, selbst Waise, lernt in diesem Ambiente Überlebensstrategien zu entwickeln und tut dies mit einer positiven Einstellung.

Letztendlich überzeugt der Roman durch seine Sprache mehr als durch seinen Inhalt. Diese Tatsache hat ihn zu einem - langen - Lesevergnügen für mich gemacht!