Eine spannende Zeitreise in den Westerwald und seine reiche Töpfereigeschichte

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mrscatastrophy Avatar

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Im 17. Jahrhundert, zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, verliert die 13-jährige Johanna ihre Familie an die Pest und macht sich auf, ihren einzigen noch lebenden Verwandten, ihren Onkel Wilhelm, zu besuchen. Dieser ist Euler (eine zeitgemäße Bezeichnung für Töpfer). Um nicht von den Soldaten verschleppt zu werden, verkleidet sich Johanna als Junge und da sie schon auf der Reise zu ihrem Onkel merkt, welche Vorteile damit einhergehen, bleibt sie in dieser Rolle. Ihr Onkel bildet sie aus und "Johann" beweist nicht nur Fleiß, sondern ein großes künstlerisches Talent. Doch wie soll eine junge Frau in dieser Zeit dem Töpferhandwerk nachgehen, das ausschließlich den Männern vorbehalten ist, und wie lang kann sie ihre Tarnung aufrechterhalten, wo die Pubertät näherrückt?

Ich bin selbst im Westerwald großgeworden und lebe mittlerweile woanders. Schon in der Leseprobe habe ich mich ein bisschen in meine Kindheit zurückversetzt gefühlt und das hat sich beim Buch natürlich bestätigt. Annette Spratte hat gründlich recherchiert und schafft es, die Leser*innen in der Zeit zurückzuversetzen. Als ehemalige Westerwälderin hatte ich häufig die Ortschaften vor Augen und finde den Roman vor allem auch deshalb gelungen, weil er in einer dörflichen Umgebung spielt und nicht, wie viele Romane, in einer frühneuzeitlichen Stadt. Dadurch erhält man als Leser*in Einblick in die dörflichen Strukturen und landwirtschaftliche Abläufe, die Handelsrouten und die oft beschwerlichen Wege in die nächstgrößere Stadt. Die Schrecken des Krieges ebenso wie die Erleichterung über eine gute Ernte und einen gelungenen Brand der Töpferwaren werden greifbar, man fiebert mit Johanna mit, wünscht sich für sie, dass sie ihre Ziele erreicht.

Dabei findet Spratte eine gute Mischung aus Schicksalsschlägen und glücklichen Ereignissen, sodass es nicht zu unrealistisch wird. Mir hat die Thematik vor allem deshalb gefallen, weil Johanna nicht die klassische Protagonistin eines Mittelalterromans ist und gegen die Rollenerwartungen ihrer Zeit rebelliert. Für mein Empfinden wurde die Religion etwas zu sehr in den Vordergrund gestellt, was ich aber ohne zu spoilern nicht ausführen kann - man kann ja aber der Leseprobe schon entnehmen, dass Johanna eigentlich mit Gott abgeschlossen hatte. Mir ist aber vollkommen bewusst, dass der Glaube in der damaligen Zeit für viele Menschen ein Ausweg war und die Autorin selbst ja auch sehr gläubig ist. Deshalb soll das nicht zu einer schlechteren Bewertung führen, ist ein absolut persönlicher Eindruck und tut dem Lesevergnügen auch keinen Abbruch. Es hat mir großen Spaß gemacht, durch dieses Buch mal wieder den Westerwald zu "besuchen" und ich würde es definitiv allen empfehlen, die Lust auf eine etwas ungewöhnlichere Zeitreise in eine Gegend haben, die man oft nur aus ein oder zwei Volksliedern kennt.