Zukunftsperspektiven

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
marinheira Avatar

Von

Die wiener Pädagogin und Autorin Beate Maly, die auch unter den Pseudonymen Laura Baldini und Lina Jansen schreibt, mausert sich allmählich zu einer meiner Lieblingsschriftstellerinnen. Mit Liebe zum Detail lässt sie die Vergangenheit in ihren historischen Romanen lebendig werden, stellt empathisch große und kleine Persönlichkeiten der Geschichte vor und bringt immer wieder auch pädagogische Themen und Entwicklungen ein. Verortet sind ihre Geschichten meist im schönen Österreich. All das trifft auch auf den neuen Roman zu, auf den ich mich sehr gefreut habe. „Die Kinder von Schönbrunn“ ist am 26.01.23 im Ullsteinverlag erschienen und der Nachfolgeroman zu „Die Frauen von Schönbrunn“. Ein herzliches Dankeschön geht an Vorablesen und den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Darum geht’s

Der erste Weltkrieg ist vorüber und die schlimmsten Hungerjahre vorbei. Österreich kommt Schritt für Schritt wieder zu Wohlstand und es herrscht Aufbruchstimmung. Auch für die beiden Schwestern Emma und Greta Moser brechen spannende Zeiten an. Während Emma mit ihrem Mann Julius eine erfolgreiche Tierarztpraxis betreibt, ist Greta in ihrer Trauer um ihren Mann Gustav gefangen, der nie aus dem Krieg heimkehrte. Sie kümmert sich hingebungsvoll um ihre Tochter Gisela, weiß aber ansonsten nichts mit sich anzufangen. Bei einem Spaziergang lernt sie eine junge Frau kennen, die auf dem Weg zur Einschreibung in der neuen Erzieherinnenschule im Schloss Schönbrunn ist. Spontan entscheidet sie sich mitzugehen und taucht begeistert in die neu entstehende Welt der Reformpädagogik ein. Viele der liberalen Ideen der Sozialdemokraten überzeugen die junge Frau, die bald in einem Kinderheim eigene Erfahrungen macht. Dort lernt sie den Ausbilder und Heimleiter Michael Brenner kennen, von dem sie sich angezogen fühlt.


Mein Leseerlebnis

Nach einem thematisch sehr interessanten Auftakt der Schönbrunn-Saga, war ich sehr gespannt, wie es mit Emma und Greta weitergeht. Dass der zweite Band die Entwicklungen der Pädagogik im Österreich der 20er Jahre nachzeichnet, war für mich als Sozialarbeiterin eine positive Überraschung und nicht nur auf dem Hintergrund meiner Profession eine sehr mitreißende Lektüre.

Maly gelingt es ausgezeichnet, sich in die Charaktere hineinzuversetzen und einfühlsam die traurigen und grausamen Lebensgeschichten der Heimkinder aus Schönbrunn zu erzählen. Dabei stehen nicht nur die Defizite oder die negativen Verhaltensweisen der Kinder im Fokus, sondern auch ihre Träume, Hoffnungen und Freudschaften, in die sich sich flüchten, die sie aber auch stärken und zum Positiven verändern. Die beschriebenen Szenen und Konfrontationen zwischen den Kindern und den Pädagoginnen sind sehr realistisch dargestellt und ähneln dem Alltag in der Kinder- und Jugendhilfe im 21. Jahrhundert sehr. Hier wird Beate Malys Berufserfahrung als Pädagogin deutlich. Neben der Geschichte über die Kinder, zeichnet die Autorin ein großes Bild der damaligen Gesellschaft: die freizügige Künstlerszene, das Nachtleben oder die politischen Umbrüche und Dissonanzen zwischen liberalem und konservativen Bürgertum. Die Leser werden förmlich in diese Zeit gesogen.

Malys bildhafte Beschreibungen und der lockere Sprachstil sorgen abermals für ein angenehmes Leseerlebnis, bei dem man Raum und Zeit vergisst und den Roman am liebsten an einem Stück verschlingen würde.

Natürlich leben Folgebände immer von den bereits bekannten und lieb gewonnenen Protagonisten, die Maly aber weiterentwickelt. Während Emma im ersten Band im Mittelpunkt stand, richtet sich der Fokus nun auf ihre Schwester Greta. Für Unterhaltung und Spannung sorgen vor allem die gut entwickelten Nebencharaktere, die ich teilweise gerne näher hätte kennenlernen wollen.

Das Cover passt optisch wunderbar zum ersten Band, sodass sich die beiden Romane gut nebeneinander im Bücherregal machen. Das Bild der Kinder, die im Hintergrund vor dem Schloss Schönbrunn sitzen, und die junge Frau im Vordergrund, die sich auf die Augenhöhe des keinen Mädchens begibt, ist vielleicht ein bisschen kitschig, aber gleichzeitig auch eine schöne grafische Übersetzung der Hauptgeschichte.

Fazit

DIE KINDER VON SCHÖNBRUNN – TRÄUME VON EINER BESSEREN WELT ist eine hoffnungsvolle Geschichte darüber, dass alle Menschen ihr Leben in der Hand haben und zu Veränderungen fähig sind. Gespickt mit spannenden zeitgeschichtlichen Entwicklungen der 20er Jahre, liebenswerten Charakteren und einem Ausflug in die Heimerziehung, hat Beate Maly einen Pageturner geschrieben, der nicht nur für Pädagogen lesenswert ist.