Ein Buch für Mutige

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pastor_david Avatar

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Eine Romantherapie oder doch ein Therapieroman?

In „Die Kriegerin“ begleiten wir Lisbeth. Sie arbeitet als Floristin und ist Mutter einer Tochter. Im ersten Kapitel des Buches wird ihr alles zu viel, sie verlässt Berlin und kommt so schnell nicht wieder. Sie sucht Zuflucht an der Ostsee, dem einzigen Ort an dem sie Entspannung für ihre vom atopischen Ekzem (Neurodermitis) geplagten Haut findet. Dort trifft sie auf die Kriegerin.

Die Geschichte von Lisbeth wird uns in zwei Zeitsträngen näher gebracht: Der Gegenwarts-Strang beginnt mit ihrer Flucht aus Berlin und der Vergangenheits-Strang beginnt in ihrer frühsten Kindheit und führt durch das Buch hinweg bis zu ihrer Zeit als Mutter in der Großstadt.
Gleichwie in einer Therapie mischen sich die Berichte aus Vergangenem und Gegenwärtigem. Das eine erklärt das andere und erst durch das weitere Begleiten von Lisbeth wird uns klar, weshalb sie im Krieg mit sich selbst zu sein scheint. „Glücklich sein“, das ist nichts für sie, schon als Kind möchte sie aus ihrer Haut schlüpfen.
Vor dem Lesen wird uns über den Klappentext mitgeteilt, dass Lisbeth während ihrer Zeit bei der Bundeswehr vergewaltigt wird. Doch, gleich wie in einer Therapie, dauert es, bis wir zu dieser traumatisierenden Erfahrung vorgedrungen sind. Es gilt all den seelischen Schutt und die Trümmer beiseite zu räumen um zum Epi-Zentrum des Schmerzes zu gelangen.

Zwanghaftigkeit - Die Kriegerin
Wenn unsere Psyche ein Trauma erleidet stellt das Gehirn „Wächter“ auf, die solch eine Erfahrung zukünftig verhindern sollen. Diese sind zwanghafte Verhaltensmuster, wie z.B. übertriebene Reinlichkeit, das Bedürfnis völliger Kontrolle oder die Unfähigkeit zu vertrauen. Es sind diese Verhaltensmuster, die die eigentlichen negative Nachwirkung von Traumata sind.
Nach meiner Interpretation steht die Kriegerin für ebendiese. Sie steht für Unverletzlichkeit, Wehrhaftigkeit und eine feste Schale. Gleichzeitig liebt sie Lisbeth, sie möchte, dass es ihr gut geht. Sie ist diejenige die Rachepläne schmiedet und aus der traumatischen Erfahrung noch Energie schöpft: Beim Paintball spielen mit Jugendlichen rät sie Lisbeth: „Stell dir vor sie alle hätten sein Gesicht.“ Doch Lisbeth (genau wie der Leser) ist noch nicht so weit, sie versteht nicht, was die Kriegerin meint.
Die Dissoziation ist so gut geschrieben, dass ich im ersten Drittel des Buches noch daran gezweifelt habe, ob die Kriegerin tatsächlich existiert, oder eben nur eine Reaktion von Lisbeths Innenleben darstellt. Nach ihrer Flucht aus Berlin trifft Lisbeth die Kriegerin „zufällig“ am Strand, deren echten Namen erfahren wir zunächst nicht, sie scheint genau das Gegenteil von Lisbeths Hilflosigkeit zu sein. Doch auch wenn die Autorin diesen schlussendlich Weg nicht geht, ist doch das Gedankenspiel mit dieser Möglichkeit berührend und spannend zu gleich.

Ein einfühlsam-packendes Buch
Helene Bukowski webt auf eine sensible Weise einen einfühlsamen Roman. Ich bin ihr dafür überaus dankbar, das Buch hat mich nicht losgelassen.
Der Schlussteil des Buches wirkte zwar etwas gehetzt, der letze Satz entschädigt dafür jedoch im vollen Maße. „Die Kriegerin“ schildert eine Reise nach innen, die uns allen bevor steht. Dass sich jeder von uns dafür Dingen stellen muss, die herausfordernd und schmerzhaft sind, ist klar. Doch egal welche Umwege wir wählen, wir wir uns betäuben oder ablenken, von uns selbst können wir nicht davonlaufen. Überall wo wir hingehen, nehmen wir uns selbst mit. Das Buch von Helene Bukowski ist dafür ein eindrucksvolles Zeugnis und gerade deshalb nur etwas für Mutige.