Alpträume...

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parden Avatar

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In Harry Holes neuntem Fall kommt der ehemalige Hauptkommissar der Osloer Polizei nach drei Jahren erstmals wieder in die Hauptstadt Norwegens. In Hongkong scheint Hole inzwischen Fuß gefasst und seinen Weg gefunden zu haben, denn er erscheint gut gekleidet und hat offentsichtlich auch seine Sucht unter Kontrolle.
Der Grund, der ihn erneut nach Oslo führt, ist der Sohn seiner ehemaligen großen Liebe Rakel. Der sitzt im Gefängnis und wird des Mordes an einem Drogendealer verdächtigt - etwas, was Harry Hole für undenkbar hält. Um Beweise für die Unschuld des Jungen zu sammeln, taucht Hole tief in die Abgründe Oslos ein - und auch in seine eigenen...

Gefallen hat mir wieder, wie Jo Nesbø den Hauptdarsteller zeichnet: ein Charakter voller Widersprüche. Hole ist Antiheld und Held zugleich, lässt sich einerseits viel gefallen, teilt andererseits aber auch unerwartet aus. Er wünscht sich ein Panzerherz, ist gleichzeitig aber übersensibel - knallhart und dabei empfindsam und verletzlich...
Jo Nesbø schreibt über Harry Hole selbst: "Harry ist ein komplizierter, höchst widersprüchlicher Charakter, dessen Leben in Trümmern liegt. Er hat Routine im Verlieren, und er weiß, dass es keine Siege für ihn gibt, die Bestand haben. Trotzdem lässt er sich immer wieder darauf ein, Verbrecher zu jagen. Denn tief im Innern glaubt er wohl daran, dass sich durch sein Tun da draußen etwas ändern kann."

Wieder legt uns Nesbø einen unglaublich komplex gestrickten Thriller vor, der aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Das ist aber nicht verwirrend, sondern im Gegenteil wichtig für das Verständnis des Gesamten - selbst die Erzählung aus der Sicht einer Ratte, die als Rahmenhandlung eingefügt ist, rundet das Bild noch ab.
Von Anfang an eher düster in der Erzählung, liegt eine große Melancholie über dem Geschehen. Jeder kämpft mit seinen Abgründen und Alpträumen, aus denen es kaum ein Entkommen zu geben scheint. Wieder verwirrt Nesbø mit falschen Spuren und überraschenden Wendungen, und ab der zweiten Hälfte des Buches war das Buch so spannend, dass ich es kaum noch aus der Hand legen wollte. Das Ende dann war - unglaublich. Mehrfach wünschte ich mir beim Lesen, dass Harry Hole auch mal alle Fünfe gerade sein lassen sollte - doch dann wäre es eben nicht Harry Hole... Und so blicken wir nun in eine ungewisse Zukunft, von der wir nicht wissen, ob die Alpträume ein Ende haben oder nicht.

Für mich ein unbedingt lesenswertes Buch, das einen allerdings nicht nur atemlos hinterlässt sondern auch nachdenklich.